Im Bann der Wasserfee
Weiber verbreiten.«
»Was ist danach geschehen?«
»Ich habe diesen König Sverðlun getötet und ich hätte auch seinen fünfjährigen Sohn getötet, weil Malgven es so wollte, doch er war nicht da.«
»Er hatte einen Sohn?«
»Randulf oder Ragnar. Irgend so ein seltsamer nordischer Name.«
Dahut erstarrte. »Du hättest ein Kind getötet?«
Gradlon nickte. »Malgven sagte, er würde kommen, sobald er ausgewachsen ist, um seinen Vater grausam zu rächen. Daher töten die Nordmänner immer alle: Weiber, Kinder, Alte. Wegen der Rache. Wenn man dies nicht täte, wären die Folgen fürchterlich. Du glaubst gar nicht, was für eine Angst ich seit Jahren habe.«
Nun nahm auch Dahut einen tiefen Schluck Wein. »Ist er mein Bruder, dieser Randulf?« Sie wagte es nicht, Ragnars Namen auszusprechen.
Zu ihrer Erleichterung schüttelte er den Kopf. »Nein, ich glaube nicht. Zumindest habe ich das damals nicht geglaubt. Malgven würde doch nicht ihren eigenen Sohn töten lassen?« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr.«
Dahut wurde es schlecht. Womöglich hatte sie mit ihrem eigenen Bruder geschlafen! Einem Bruder, den ihre Mutter hatte töten lassen wollen, und der Mann, den sie immer für ihren Vater gehalten hatte, hätte dies auch noch ausgeführt!
»Ich habe Sverðlun getötet, einen alten Mann erstochen, während er schlief, um Malgven zu bekommen. Doch es war alles vergebens. Meine Sünden holten mich ein. Malgven verstarb kurz nach deiner Geburt. Sie flehte mich an, dich niemals in die Nähe des Meeres zu lassen, egal, wie sehr du dich danach sehnen solltest, denn es würde dich verschlingen. Ich leistete ihr diesen Schwur. So, nun weißt du es alles.«
Vermutlich nicht alles, doch wesentlich mehr als zuvor.
Gradlon erhob sich. »Mir ist so schwindelig.«
Sie stützte ihn, doch wusste sie, dass sie ihn nicht würde halten können, sollte er stürzen.
Gradlon wankte zu einer Liege und ließ sich darauf nieder. Er schloss die Augen. Dahut glaubte, er sei eingeschlafen, doch dann bewegte er die Lippen. »Seither lebe ich in Angst. Angst, du könntest im Meer umkommen, wie deine Mutter es in ihrer Verwirrung vor ihrem Tode prophezeit hatte. Angst, dieser Randulf könnte kommen, um mir im Schlaf das Herz zu durchbohren, wie ich es bei seinem Vater getan habe. Jede Nacht verfolgt mich die Angst in den Schlaf.«
Dahut vermutete, dass er nicht der einzige war, der unter diesem Albtraum litt.
»Bin ich deine leibliche Tochter?«
Gradlon zögerte kurz. »Ich denke schon. Sanctus Corentinus wird meine Seele retten und auch deine.« Seine Stimme war leise und undeutlich. Dahut beugte sich über ihn, damit sie alles verstand. »Er wird auch auf dich achtgeben, wenn ich Ys verlasse. Randulf, Ragnar oder wie er heißt, wird mich nicht finden. Er wird auch dich nicht finden, wenn du auf Sanctus Corentinus hörst. Heirate Brioc oder werde Ordensschwester. Nimm dich in Acht vor dem Meer!«
Dahut erstarrte. Das hatte er also vor. Er würde sie Sanctus Corentinus überlassen, der sie verabscheute, weil sie der alten Religion anhing. Falls sie bis dahin nicht aus der Stadt geflohen oder mit Brioc verheiratet war, würde dieser sie zwingen, Ordensschwester zu werden, was ein Leben in Armut, Gehorsam und Keuschheit bedeutete. Ihr wurde jetzt bereits schlecht, wenn sie nur daran dachte.
Dahut vernahm Gradlons gleichmäßige Atemzüge, die darauf hinwiesen, dass er eingeschlafen war. Leise flüsterte sie seinen Namen, doch er reagierte nicht darauf.
Sie wartete wenige Minuten, dann tastete sie vorsichtig über seine Brust. Tatsächlich hing dort ein Schlüssel an einer Lederschnur. Wie sollte sie ihm diese abstreifen, ohne dass er es merkte?
Sie zückte ihren Dolch und schnitt die Schnur entzwei. Den Schlüssel nahm sie an sich. Er würde wütend sein, wenn er erwachte und merkte, dass ihm der Deichschlüssel fehlte. Doch bis dahin war sie verschwunden und seinem Zorn nicht mehr ausgeliefert.
Schnell eilte sie aus ihres Vaters Gemach zurück zum Deich.
Im Schatten einer Weide wartete Ragnar auf sie. Dahut betrachtete ihn, doch er wies keinerlei Ähnlichkeit mit ihr auf. Womöglich kam er vom Aussehen her nach seinem Vater.
»Hast du ihn?«, fragte er.
»Bist du mein Bruder oder Halbbruder?«
Verdutzt sah er sie an. »Wie kommst du darauf?«
»Gradlon sagte, dein Vater wäre mit meiner Mutter verheiratet gewesen.«
Er wirkte mürrisch. »Leider war er das.«
»Du elender
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