Im Bann der Wasserfee
infernalische Kreischen, eine Mischung aus dem Schrei eines Tieres und einer Frau, ausgestoßen in höchster Pein und Entsetzen.
Deirdre hatte ihr einmal in einer Stunde des Vertrauens gesagt, dass sie den Schmerz ihrer durch dunkle Magie erschaffenen Kreaturen spüren würde, wenn auch nicht so intensiv wie ihre Schlangen. Sie vermochte ihn abzublocken, damit sie nicht jedes Mal, wenn eines ihrer Wesen starb, im Geiste mitgerissen wurde in den Schlund des Todes.
Ein irrsinniger Schmerz durchzog Niamhs Arm. Ungläubig starrte sie auf die Schlange, die sich dort festgebissen hatte. War Deirdre die Unversehrtheit ihrer Tochter gleichgültig? Offenbar, denn sonst hätte sie sie nicht in den Kerker werfen lassen. Sie trachtete ihr nach dem Leben.
Ihre Augen tränten vor unsäglichem Schmerz, Wut und Enttäuschung, als sie versuchte, den Biss der Schlange zu lockern. Doch egal, wie sehr sie an die Seiten des Gebisses drückte oder ihm auf den Kopf schlug, das Vieh ließ nicht los. Es lockerte seinen Biss nicht mal. Entweder tat ihm das nicht weh oder sie machte etwas falsch. Bei Katzen wirkte dieser Griff.
Dylan packte die Schlange am Hals und drückte zu. Ein Knacksen erklang und das Wesen erschlaffte in seiner flossenähnlichen Hand. Dann drehte er sich um und riss er das Wesen auseinander. Grünes Blut spritzte. Kein Mensch besaß derartige Kraft.
Niamh saugte an der Wunde und spie das Gift heraus. Wenn sie schnell handelte, würde es sie nicht lähmen oder gar töten. Bei Wasserfeen wirkte das Gift schwächer als bei Menschen. Obwohl sie als unsterblich galten und einen natürlichen Tod nicht kannten, so konnten Wasserfeen dennoch verletzt oder gar getötet werden. Dies war weitaus schwieriger als bei sterblichen Wesen, da ihre Ausdauer, Kraft und Regenerationsfähigkeit deren bei Weitem überlegen waren.
Niamh erhob sich zur Schlacht. Sie nahm den blutverschmierten Dolch auf und stach wie eine Besessene auf jede der Kreaturen ein, die es wagten, näherzukommen. Es war wohl das erste Mal, dass eine Fee und ein Selkie Seite an Seite kämpften. Gemeinsam schlugen sie die Schlangen zurück, doch wussten sie, dass der Vorsprung nicht von Dauer sein würde. Irgendwann würden sie ermüden. Dann würde die Zeit der Schlangen kommen.
Die Flut stieg unaufhaltsam. Das Wasser toste heran und verschlang alles, auch die schwarzen Kreaturen der Königin. Doch sie konnten nicht ertrinken. Als Wesen des Wassers waren sie den meisten anderen hier überlegen.
Die Wellen erfassten Niamh. So wild hatte sie das Meer selten erlebt. Es schien zu leben. Was hatte die Königin nur getan? War dies das Ende?
Ein Strudel ergriff sie und riss sie in die Tiefe. Wasser umschloss sie. Niamh presste ihre Lippen aufeinander, damit es nicht in ihren Mund eindrang.
Wenigstens etwas Gutes hatte die Situation: Die Schlangen wurden von ihr weggetrieben. Ihr eigenes schwarzes Haar waberte schlangengleich in schwarzen Schlieren um sie herum. Es reichte ihr für gewöhnlich etwas über den Po.
Dann sah sie Dylan. Einzig seine Augen wirkten wie immer. Nicht menschlich und doch zeugte der Blick von bemerkenswerter Intelligenz. Allein daran würde ein achtsamer Beobachter merken, keine gewöhnliche Robbe vor sich zu haben, sollte er die andere Gestalt annehmen.
Er jedoch weilte noch immer in diesem grauenvollen Zwischenstadium. Nicht Mensch, nicht Tier und weitaus gefährlicher als beides.
Sie streckte die Hände nach ihm aus, doch erreichte sie ihn nicht. Es trieb ihn von ihr weg. Die Tiefe verschluckte ihn gänzlich und dann auch sie.
Niamh blickte in den Abgrund zwischen den Welten, einem Strudel aus pulsierender Schwärze. Noch lebte sie. Vielleicht war doch noch nicht alles verloren. Oder dies war der endlose Tod.
Ragnar starrte entsetzt auf die tosenden Fluten, die unaufhaltsam näherkamen. In einiger Entfernung rannte Dahut in Richtung des Palastes. Ihr Gewand flatterte im Wind. Einige goldene Haarsträhnen hatten sich unter der Kapuze gelöst und eilten ihr voraus.
Er folgte Dahut, in der Hoffnung, sie bald einzuholen. Dies war nicht einfach, denn Menschen und Tiere rannten panikerfüllt durcheinander. Würden sie ihre Angst beherrschen, so könnten sie sich womöglich retten. Oft tötete nicht das Unglück selbst, sondern die durch Panik fehlgeleiteten Reaktionen darauf.
Ragnar, erprobt durch unzählige Kämpfe, in denen er dem Tod immer wieder begegnet war, ließ sich davon nicht beeindrucken. In solchen Situationen bemächtigte
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