Im Bann der Wasserfee
Halt und stürzte hinab in die tosenden Fluten, direkt auf die Shopiltees zu, die es auf ihr Blut abgesehen hatten. Sie schrie, bevor das Wasser ihr den Atem nahm und sie hinabzog in die schwarzen Tiefen des Todes.
Kapitel 16
Niamh konzentrierte sich auf ihr verlorenes Amulett. Es befand sich schon lange nicht mehr in ihrem Haus. Da ein Teil von ihr, etwas von ihrer Seele und ihrem Blut, in dem Stein gefangen war, wusste sie stets, wo es sich befand und wer es trug.
Es war weitaus mehr als nur ein Schmuckstück. Wenn zwei Wasserfeen es untereinander austauschten, so waren sie auf ewig miteinander verbunden. Da Dylan ihr kein Gegenstück gegeben hatte, war die Verbindung noch trennbar, auch wenn ein Teil von ihr auf ewig bei ihm bleiben würde. Doch das würde es ohnehin, da sie ihn liebte wie niemals jemanden zuvor in ihrem Leben.
Jetzt war sie froh, das Amulett in ihrem Haus zurückgelassen zu haben, auch wenn dies ein beachtliches Risiko für sie dargestellt hatte, da es auch jemand anders hätte finden können. Doch ein Mensch hätte damit wenig anfangen können. Das Amulett würde sie zu Dylan führen.
Das Meer eroberte sich die Stadt zurück, nahm sich mit Gewalt, was ihm einst abgerungen worden war. Niamh machte sich die Angst der Menschen zunutze, indem sie das Trugbild einer hohen Woge vor dem Gefängnis erzeugte. Panikerfüllt und schreiend rannten die Wächter davon. Niamh überwältigte den, der den Schlüsselbund am Gürtel trug, bevor er weglaufen konnte.
Erstaunt blickte Dylan sie an, als sie den Kerker aufschloss. »Niamh? Bist du es wirklich oder träume ich schon wieder?« Er blinzelte.
Dann erhob er sich und schloss sie in seine Arme. Er war magerer als sonst und strahlte eine fiebrige Unruhe aus.
Sie erwiderte seine Umarmung und verteilte Küsse auf seinem Gesicht, bevor sie sich von ihm löste. »Dafür ist später noch Zeit.« Zumindest hoffte sie das. »Komm schnell. Wir müssen uns beeilen.«
Ihre Worte bewahrheiteten sich früher, als ihr lieb war. Als sie den Kerker verließen, kamen sie aus allen Ecken und Winkeln: schwarze Schlangen, die sie rasch umzingelten.
Niamh zog ihren Dolch, auch wenn sie wusste, dass sie mit einer gewöhnlichen Waffe gegen diese Kreaturen kaum etwas würde ausrichten können. Selbst mit einem magischen Dolch erzielte man nur temporäre Erfolge. Solange man die Königin nicht tötete, war der Nachschub ihrer schwarzen Schlangenkrieger nahezu unerschöpflich.
Erbittert kämpfte Niamh. Ihre Schnelligkeit und Geschicklichkeit waren ihre einzigen Vorteile, außer, dass sie weniger verletzlich war als ein Mensch. Ein Selkie konnte mehr aushalten. Aus den Augenwinkeln blickte sie zu Dylan. Ausgerechnet jetzt verwandelte er sich! Verdammt. Warum gerade jetzt! Dylan würde ihr in der Robbengestalt kaum eine Hilfe im Kampf sein! Dazu war er an Land zu langsam. Doch auch dieses Blatt könnte sich bald wenden, so schnell, wie die Flut sich näherte.
Gerade die Nähe des Wassers schien die Wandlung auszulösen. Davon abgesehen, dass er aufgrund des Gefängnisaufenthalts viel zu lange in seiner Menschengestalt verharren hatte müssen. Während des Umwandlungsprozesses war Dylan so gut wie wehrlos. Die Schlangen würden dies wissen und ausnutzen.
Das Wasser flutete die Straßen und Plätze. Es drang in die Häuser und entwurzelte Bäume. Menschen und Tiere flohen vergebens. Es war aus! Die Stadt war nicht mehr zu retten. Sie würde untergehen. Das Meer holte sich zurück, was ihm zwanzig Jahre zuvor gestohlen worden war. Dies tat es mit Gewalt und ohne Rücksicht auf die Bewohner der Stadt.
Die Schlangen schienen einen Moment verwirrt zu sein. Niamh blickte kurz zur Seite. Dylan hatte mitten in der Verwandlung innegehalten. Er war nun eine unaussprechliche Kreatur, eine Mischung aus Mensch und Robbe, und furchteinflößender als beides zusammen sein konnte. Sein Körper wirkte etwas unförmig, jedoch waren deutlich die Muskelstränge unter dem grausilbern schimmernden Fell erkennbar. Als er das Maul auftat, offenbarte er sein mächtiges Raubtiergebiss.
Dylan stürzte sich auf eine der Schlangen und biss ihr den Kopf ab. Das Monster kreischte auf. Glibberig-grüne Masse spritzte aus dem Halsansatz. Niamh duckte sich. Diese Flüssigkeit konnte Niamhs Haut verätzen. Selkies hingegen waren unempfindlich.
Eine der schwarzen Schwestern der Schlange attackierte ihn. Dylan wich geschickt aus und riss auch ihr den Kopf ab. Erneut erklang das
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