Im Bann der Wasserfee
auch klar, warum.« Er grinste lüstern und zwinkerte Ragnar zu. »Ich wünsche Euch weiterhin viel Vergnügen. Entschuldigt die Störung.« Der Mann verschwand. Dahut vernahm seine Schritte, als er sich entfernte.
Ragnar ging zurück zu Dahut. »Mein Nachbar denkt, dass …«
»Ja, ich habe gehört, was er gesagt hat. Was hast du vor?«
Ragnar bedachte sie mit seinem Unschuldsblick, für den sie ihn erwürgen könnte. »Meine Tunika waschen. Es ist nämlich die einzige, die ich noch habe. Zwar sind neue bestellt, doch weiß ich nicht, wann sie fertig werden.«
»Ich werde sie waschen. Schließlich bin ich schuld daran, dass sie so aussieht.« Dahut nahm die Kleidung und Seife und lief zum nächsten öffentlichen Brunnen um die Ecke. Dort wusch das Kleidungsstück. Ragnar begleitete sie, offenbar, um sie zu beschützen, doch niemand kam auch nur in ihre Nähe. Dahut wrang die Kleidung aus und hängte sie in Ragnars verwilderten Garten zum Trocknen auf.
Sie kehrten gemeinsam ins Haus zurück.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Dahut.
»Die Leiche wegschaffen natürlich.«
Sie biss sich auf die Lippen. »Sollten wir nicht doch lieber die Stadtwache rufen? Wir wollen ja keine Beweise vernichten, obwohl wir das sicher schon getan haben.«
»Damit sie mich auch in den Kerker werfen? Du hast ja gesehen, wie schnell es bei Dylan gegangen ist. Wenn ich selbst gefangen bin, kann ich ihm am Allerschlechtesten helfen.«
Dahut nickte. »Du hast Recht. Mein Vater war aber nicht immer so gnadenlos in seinen Urteilen. Je älter er wird, desto misstrauischer wird er Fremden gegenüber. Mittlerweile ist er regelrecht panisch. In jeder Ecke vermutet er einen gedungenen Mörder.«
»Du wirst mich doch nicht verraten?«
»Wieso? Hast du es etwa auf ihn abgesehen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich meinte wegen Aouregwenns Leiche. Außerdem wurden auf Brioc Mordversuche verübt und Jacut wurde getötet. Beide waren ungewollte Verehrer oder Verlobte von dir. Mit Aouregwenn hast du dich erst vor Kurzem geprügelt. Was meinst du, auf wen zuerst der Mordverdacht fällt?«
Sie sah ihn mit großen Augen an. »Mir wird man nichts tun. Ich bin Gradlons Tochter.«
»Wie sicher bist du dir seiner Gunst?«
»Schon gut, schon gut. Wie beseitigen wir die Leiche?«
»Wir bringen sie an einen Ort, wo sie schnell gefunden wird, bevor sie modert oder Hunde sie anfressen.«
Dahut hielt sich die Hand vor den Mund. »Hör auf damit oder ich übergebe mich gleich wieder. Wie willst du sie transportieren?«
»Tragen. Sie wird ja wohl kaum selbst laufen.«
»Ist nicht anzunehmen.« Dahut schluckte. Der Gedanke, die Leiche anfassen zu müssen, bereitete ihr Übelkeit.
Ragnar drapierte seinen Mantel um die Leiche, schlug die Kapuze vor und legte seinen Arm um sie. »Durch den Stoff wird’s gehen, oder?«, fragte er.
Dahut nickte und zog sich ihre Kapuze tiefer ins Gesicht. Ihr war übel, doch sie legte von der anderen Seite ihren Arm um die Leiche, um sie zu stützen. »Und wenn uns die Wachen aufhalten?«
»Das wollen wir nicht hoffen.«
Dahut schüttelte ungläubig den Kopf. »Deinen Mut möchte ich haben.«
»Das ist kein Mut. Das ist Verzweiflung.«
Gemeinsam schleppten sie Aouregwenn aus dem Haus.
Auf der Eingangstreppe des Nebenhauses saß Ragnars Nachbar. Er sah auf, als er sie erblickte. Dahut taumelte aufgrund des Gewichts der Leiche zwischen ihnen.
»Euer Begleiter hat wohl etwas zu viel Wein getrunken?«, fragte der Nachbar. Er grinste. »Wein, Weib und Gesang. Doch warum seid ihr noch fast nackt?«
»War eine heiße Nacht«, sagte Ragnar mit einem anzüglichen Grinsen, das Dahut ihm am liebsten aus dem Gesicht geschlagen hätte. Sie hielt zitternd eine modernde, blutbesudelte Leiche im Arm und er riss Witze! Er musste wirklich ein Barbar sein.
Glücklicherweise hielt er sich nicht länger auf, sondern eilte mit Dahut und der Leiche weiter. Das war ihm auch zu raten, sonst hätte sie ihm die Leiche vor die Füße geworfen.
Dahut lugte verstohlen unter ihrer Kapuze hervor. Es war erstaunlich viel los auf den Straßen. Viel zu viel. Warum ausgerechnet heute?
Ein junger Mann kam ihnen entgegen. Er schwankte bedrohlich. Ein dümmliches Grinsen lag auf seinem Gesicht, als er auf sie zukam. »He, du siehst fast aus wie Dahut«, sagte er zu der Leiche. Eine Weinfahne schlug ihnen entgegen.
»Da muss ein Irrtum vorliegen«, sagte Ragnar. »Ich sehe gewiss nicht aus wie Dahut.«
Der Mann stierte ihn an, verdrehte die Augen und
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