Im Bann der Wasserfee
schläfst du eigentlich?«
Er lächelte sie an. »Du hast noch nicht genug von mir?«
»Wie könnte ich genug von dir kriegen?«
Er öffnete die Tür zu seinem Schlafraum und ließ Dahut den Vortritt. »Hier schlafe ich.« Es war ein eigentümliches Gefühl, sie in seinem Gemach zu wissen.
Sie fächelte mit der Hand vor sich in der Luft. »Ganz schön stickig hier. Nun, kein Wunder, denn soweit ich weiß, stand dieses Haus recht lange leer. Keiner wollte es kaufen oder mieten.«
»Keiner außer mir. Dafür habe ich einen äußerst günstigen Mietzins zu zahlen.«
»Tja, die Lemuren machen es möglich.« Dahut tänzelte durch den Raum. »Aber sonst ist es hier ganz gemütlich, vor allem im Bett.« Sie strich mit den Fingern über die Bettdecke.
Ragnar lachte. »Ich schlafe da nicht drin.«
»Nicht? Wo denn dann?«
»Auf dem Boden. Aber wenn du da bist, werde ich eine Ausnahme machen. Du kannst ja über Nacht bei mir bleiben und sehen, ob es hier wirklich Lemuren gibt.«
»Das kann ich leider nicht. Wenn mein Vater mich erwischt, muss ich Ordensschwester werden oder vielleicht noch was Schlimmeres.« Sie blickte auf den kleinen Tisch. »Du hast einen neuen Kamm? Der ist aber für Damen.«
»Sie hatten keinen anderen mehr.«
»Vielleicht besser für dich. Bei deinem langen Haar.« Sie strich durch seine Mähne, die bis über die Hälfte seines Rückens reichte. »Ich habe Sanctus Corentinus sagen hören, dass du aussiehst wie ein Barbar.«
»Ich liebe auch wie ein Barbar: heiß und wild.«
Allein seine tiefe Stimme verursachte ein Prickeln auf ihrer Haut und zwischen ihren Beinen. Ihre Brustwarzen stellten sich auf.
»Später, mein Barbar. Was hast du da in dem Schrank?«
»Noch nichts. Bewahrt man da seine Kleidung drin auf?«
»Das weißt du nicht?«
»Ich bin doch ein Barbar und als dieser brauche ich keine Schränke, Betten und diesen ganzen Kram. «
»Du kannst rein tun, was du willst. In diese großen Schränke passt fast alles. In den kleinen hat man sein Geld oder die Images der Ahnen. Doch hier sind wahrscheinlich nur die Lemuren drin.«
Dahut riss die Schranktür auf. Etwas Großes sprang sie an, nein, ihr erster Eindruck täuschte: Es fiel ihr entgegen. Die Vorderseite von Aouregwenns hellem Gewand war blutbesudelt. Ein verzierter Dolchgriff ragte zwischen ihren Brüsten empor. Der widerwärtige Gestank sich zersetzenden Blutes stieg in Dahuts Nase. Doch das Schlimmste war die Berührung der kaltwächsernen Totenhaut.
Dahut schrie panikerfüllt auf. »Nimm sie weg! Nimm sie weg!«
Ragnar packte die Leiche bei den Schultern und ließ sie zu Boden gleiten.
Dahut zitterte am ganzen Leib. Angstschweiß rann an ihrem Rücken herab. Ihr Magen rebellierte. »Oh, bei der Göttin, es ist Aouregwenn! Sie ist tot!« Sie klammerte sich an Ragnar. Plötzlich kam ihr das Essen wieder hoch. Bevor sie sich abwenden konnte, übergab sie sich auf Ragnar. Der Brechreiz ließ ihren Leib schmerzvoll erbeben.
Entsetzt starrte sie ihr Werk an. »Entschuldige. Ich wollte das nicht.« Dahut presste sich mit dem Handrücken gegen den Mund. Der Geruch und der Geschmack des Erbrochenen ließen ihr schwindelig werden.
Als es an der Tür klopfte, zuckte Dahut zusammen.
»Bei Óðinns Eiern! Das ist die Stadtwache, weil du so geschrien hast!«, sagte Ragnar.
Dahut umklammerte seine Schultern. Sie zitterte. »Was machen wir nun?«
»Wir stopfen sie wieder in den Schrank.« Ragnar packte zu Dahuts Entsetzen die Leiche und stellte sie in den Schrank, was gar nicht so einfach war, da sie offenbar in einer sitzenden Haltung die Leichenstarre ereilt hatte. Dies war ein Hinweis darauf, dass sie nicht in diesem Schrank gestorben sein konnte. Auch reichte die Blutmenge nicht dafür aus. Offenbar war sie schon woanders ausgeblutet. Er schloss den Schrank.
Erneut klopfte es an der Tür.
»Und wenn sie das Haus durchsuchen?« Dahuts Lippen bebten.
»Keine Ahnung.« Ragnar streifte sein beschmutztes Gewand ab. Der Geruch von Erbrochenem lag in der Luft.
Erneut klopfte es. »Ist etwas geschehen?«, erklang eine Männerstimme.
»Das ist nur der Nachbar«, sagte Ragnar zu Dahut. »Ich kümmere mich um ihn.« Nur mit dem Subligatum bekleidet lief er durch den Flur und trat er zur Tür, um sie zu öffnen. Dahut spähte um die Ecke.
»Ach, so ist das«, sagte der Nachbar, dessen Blick kurz Ragnars Blöße und dann Dahut streifte. »Ich wollte Euch und Eure Dame natürlich nicht stören, aber sie schrie so laut. Jetzt ist mir
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