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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Stürmisch; sein breites Grinsen ließ den Historiker zusammenzucken. »Aber ich sag’s ja immer: Gute Seeleute lassen sich von nichts aufhalten.«
    »Es sind hauptsächlich Tiste Andii und nur ein knappes Dutzend Menschen«, fügte Gesler hinzu. »Und dann noch ein paar andere, unten in der Kajüte … Wie hat Heboric die noch mal genannt, Stürmisch?«
    »Tiste Edur, Korporal.«
    Gesler nickte. Seine Aufmerksamkeit galt jetzt dem Historiker. »Tja, wir und Kulp haben Heboric von der Insel abgeholt, genau wie Ihr es gewollt habt. Ihn und noch zwei andere. Die schlechte Nachricht ist, dass wir sie in einem Sturm verloren haben – «
    »Sind sie über Bord gegangen?«, fragte Duiker mit krächzender Stimme. Seine Gedanken wirbelten. »Sind sie tot?«
    »Nun«, sagte Stürmisch, »wir wissen es nicht genau. Wir wissen noch nicht mal, ob sie ins Wasser gefallen sind, als sie über Bord gesprungen sind – alles hat gebrannt, versteht Ihr, und kann sein, dass wir auf nassen Wogen geritten sind, kann aber auch sein, dass es ganz was anderes war …«
    Ein Teil des Historikers hätte die beiden Männer am liebsten auf der Stelle erwürgt, und er verfluchte ihren quälenden Hang zur Untertreibung. Der andere Teil war so schockiert, so erschüttert von dem, was er gehört hatte, dass er mit einem dumpfen Geräusch auf dem schlammigen, von Schmetterlingen bedeckten Boden zusammensackte.
    »Historiker, begleitet diese Soldaten auf ihrer Bootsfahrt«, sagte Neder, »aber achtet darauf, dass ihr immer genügend Abstand zum Ufer haltet. Der Magier der Feinde ist erschöpft, um ihn braucht ihr euch also keine Sorgen zu machen. Ich muss wissen, was da vorgeht.«
    Oh, in diesem Punkt sind wir voll und ganz einer Meinung, Mädchen.
    Gesler streckte den Arm aus und zog Duiker sanft hoch. »Kommt jetzt, Historiker; Stürmisch wird Euch die Geschichte erzählen, während wir unterwegs sind. Ihr müsst verstehen, es ist nicht so, dass wir schüchtern wären – wir sind einfach nur dumm.«
    Stürmisch grunzte. »Und wenn ich dann mit meiner Geschichte fertig bin, könnt Ihr uns erzählen, wie Coltaine und all die anderen es geschafft haben, so lange am Leben zu bleiben. Das wird bestimmt eine Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden.«
    »Es sind die Schmetterlinge, versteht Ihr?«, sagte Stürmisch, während er sich in die Riemen legte. »Eine Schicht von gut einem Fuß Dicke, und sie bewegt sich langsamer als die Strömung darunter. Wenn’s die nicht gäbe, würden wir überhaupt nicht vom Fleck kommen.«
    »Wir sind schon schlimmer rumgepaddelt«, meinte Gesler.
    »Das habe ich mir schon gedacht«, sagte Duiker. Sie saßen schon mehr als eine Stunde in dem kleinen Ruderboot, und in dieser Zeitspanne hatten Stürmisch und Wahr sie durch eine dicke Schicht ertrunkener Schmetterlinge etwas mehr als hundertfünfzig Schritt flussaufwärts gerudert. Das Nordufer hatte sich schnell in eine steile Klippe verwandelt, die von Kletterpflanzen überwuchert war; Reben rankten sich über die zerklüftete Oberfläche. Jetzt näherten sie sich einer Stelle, an der die Schlucht einen scharfen Knick machte – die Folge eines noch nicht allzu lange zurückliegenden Erdrutsches auf jener Seite.
    Stürmisch hatte seine Geschichte zum Besten gegeben, soweit es ihm seine armseligen erzählerischen Fähigkeiten gestatteten, doch gerade sein schon fast schmerzhaft spürbarer Mangel an Vorstellungskraft verlieh seinen Worten größte Glaubwürdigkeit. Duiker sah sich vor die trostlose Aufgabe gestellt, die Bedeutung der Ereignisse zu verstehen, deren Zeugen diese Männer geworden waren. Dass das Feuer in dem Gewirr, das die drei Männer überlebt hatten, sie verändert hatte, war offensichtlich – wobei diese Veränderung weit über die ungewöhnliche Färbung ihrer Haut hinausging. Stürmisch und Wahr ruderten unermüdlich, und sie pullten mit einer Kraft, als säßen vier Männer an den Rudern und nicht zwei. Einerseits wünschte sich Duiker nichts sehnlicher, als an Bord der Silanda zu gehen, andererseits fürchtete er sich davor. Der Historiker verfügte nicht über Neders durch Magie verstärkte Sensibilität, doch auch so zerrte die Aura des Entsetzens, die das Schiff verströmte, an seinen Nerven.
    »Schaut Euch das an, Herr«, sagte Gesler.
    Sie hatten sich in die schwierig zu befahrende Krümmung des Flusses geschoben. Die eingestürzten Klippen hatten den Flusslauf verengt, ihn in einen schäumenden, von weißer Gischt gekrönten

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