Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
geschehen, und es gibt keinen Weg zurück.« Er schaute auf. »Ich hab’ versucht, das Beste aus dem zu machen, wie es jetzt ist. Mein Mädchen weiß Dinge …« Er schaute weg, kniff die Augen zusammen, als er irgendetwas anstarrte, was nur er allein sehen konnte. »Schreckliche Dinge. Aber, nun, da ist auch immer noch ein Kind – zumindest ich kann es sehen. All das, was sie weiß … nun …« – er warf Mappo einen düsteren Blick zu – »… Etwas zu wissen reicht nicht. Es reicht nicht.« Er zog ein finsteres Gesicht, schüttelte den Kopf und starrte wieder ins Leere. »Ich kann es nicht erklären …«
    »Bis jetzt kann ich dir folgen.«
    Seufzend setzte Rellock erneut an. »Sie braucht Gründe. Gründe für alles. Zumindest habe ich das Gefühl, dass es so ist. Ich bin ihr Vater, und ich sage, sie muss noch mehr lernen. Es ist gar nicht so anders, als draußen auf dem Meer zu sein – du lernst, dass es keinen sicheren Ort gibt. Du lernst es eigentlich gar nicht wirklich. Es gibt keinen sicheren Ort, Trell.« Er schüttelte sich und stand auf. »Jetzt habt Ihr dafür gesorgt, dass ich Kopfschmerzen habe.«
    »Vergib mir«, sagte Mappo.
    »Wenn ich Glück habe, wird sie mir eines Tages vergeben.«
    Der Trell sah zu, wie Rellock seine Decken richtig hinlegte. Dann stand Mappo auf und ging zurück zu der Stelle, wo sein Sack lag. »Wir lernen, dass es keinen sicheren Ort gibt.« Welcher Meeresgott auch immer auf dich herabschauen mag, alter Mann, sollte sein verlorenes Kind jetzt sehr gut im Auge behalten.
     
    In seine Decke gewickelt, jedoch nicht im Stande einzuschlafen, hörte Mappo, wie sich hinter ihm jemand bewegte. Dann erklang Icariums leise Stimme.
    »Am besten legst du dich wieder hin, Mädchen.«
    Der Trell konnte den amüsierten, trockenen Ton in ihrer Antwort erkennen. »Ihr und ich – wir sind uns sehr ähnlich.«
    »Wie das?«, wollte Icarium wissen.
    Sie seufzte. »Wir haben beide unsere Beschützer – die uns beide nicht wirklich beschützen können. Vor allen Dingen nicht vor uns selbst. Und so werden sie einfach mitgezogen; sie sind hilflos … immer wachsam, aber vollkommen hilflos.«
    Icariums Antwort war gemessen und ausdruckslos. »Mappo ist für mich ein Gefährte, ein Freund. Rellock ist dein Vater. Ich verstehe seine Bemerkung, dass er dich schützen will – was sonst soll ein Vater tun. Aber mit mir und Mappo ist das etwas anderes.«
    »Wirklich?«
    Mappo hielt den Atem an. Er war bereit, blitzschnell aufzustehen und diese Unterredung zu beenden …
    Einen Augenblick später fuhr Apsalar fort. »Vielleicht habt Ihr Recht, Icarium. Wir sind uns nicht so ähnlich, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Sagt mir – was werdet Ihr mit Euren Erinnerungen tun, wenn Ihr sie erst einmal gefunden habt?«
    Das Gefühl der Erleichterung, das den Trell einen kurzen Augenblick durchflutet hatte, verschwand ebenso schnell wieder, wie es gekommen war. Doch jetzt kämpfte er nicht mehr gegen den Drang an, sich einzumischen; stattdessen verhielt er sich ganz still und wartete darauf, die Antwort auf eine Frage zu hören, die er Icarium nie zu stellen gewagt hatte.
    »Deine Frage … überrascht mich, Apsalar. Was machst du mit deinen Erinnerungen?«
    »Es sind nicht meine eigenen – der größte Teil zumindest. Ich habe eine Hand voll Bilder von meinem Leben als Fischermädchen. Wie ich auf einem Markt um Garn feilsche. Wie ich die Hand meines Vaters halte, vor einem Steinhaufen – auf den verwitterten Steinen liegt ein Strauß Blumen, ich spüre Flechten, wo ich einst Haut berührt habe. Ein Gefühl von Verlust, Verwirrung –, ich muss noch sehr jung gewesen sein.
    Andere Erinnerungen gehören einer Wachshexe, einer alten Frau, die versucht hat, mich zu beschützen, als Cotillion sich meiner bemächtigt hat. Sie hatte ihren Mann verloren, ihre Kinder – alle waren dem Ruhm des Imperiums geopfert worden. Man sollte eigentlich annehmen, dass das einzige Gefühl, zu dem eine solche Frau noch fähig sein kann, Bitterkeit wäre, oder? Aber es war nicht so. Zwar hatte sie die, die sie liebte, nicht beschützen können, doch dafür haben ihre Instinkte, die so lange unterdrückt waren, stattdessen mich eingeschlossen. Und das tun sie bis zum heutigen Tag, Icarium …«
    »Das ist ein außergewöhnliches Geschenk, Mädchen …«
    »In der Tat. Und schließlich das letzte Bündel meiner geliehenen Erinnerungen – die mit Abstand verwirrendsten. Die Erinnerungen eines Assassinen. Der einst

Weitere Kostenlose Bücher