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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Oberfläche geritzt waren.
    »Die Sonne bewegt sich nie«, sagte Apsalar neben dem Trell. »Das Licht fällt immer in diesem Winkel auf die Oberfläche, der einzige Winkel, der diese Steinmetzarbeiten für unsere Augen sichtbar werden lässt.«
    Der Fuß und die Seiten des Felsblocks waren eine einzige Ansammlung von Hand- und Pfotenabdrücken, die alle die Farbe von Blut hatten.
    Der Pfad der Hände. Mappo wandte sich an Iskaral Pustl. »Noch mehr von Euren Täuschungen, Priester?«
    »Ein einsamer Felsblock in einem Wald? Unberührt von Flechten und Moosen und von der unbarmherzigen Sonne einer anderen Welt ausgebleicht? Der Trell ist so schwer von Begriff, dass es fast schon unvorstellbar ist. Aber hört Euch das an!« Er lächelte Mappo breit an. »Ganz und gar nicht! Wie hätte ich so etwas bewegen sollen? Und schaut Euch doch nur diese uralten Arbeiten an, diese Löcher und Spiralen – wie sollte man solche Dinge nachahmen können?«
    Icarium war weitergegangen und stand jetzt direkt vor dem Felsblock. Er folgte dem sich windenden Verlauf einer der Furchen. »Nein, die sind echt genug. Doch sie sind Tellann, die Art, wie man sie an einer Stätte finden könnte, die den T’lan Imass geweiht ist  – solche Felsblöcke stehen normalerweise auf der Kuppe eines Hügels in einer Tundra oder Ebene. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass die Wechselgänger und Vielwandler bemerken würden, dass die Übereinstimmung nicht vollständig ist – «
    »Natürlich nicht!«, brach es aus Iskaral Pustl heraus. Er starrte den Jhag stirnrunzelnd an. »Warum sprecht Ihr nicht weiter?«
    »Wie könnte ich? Ihr habt mich unterbrochen – «
    »Das ist eine Lüge! Aber nein, ich muss meine Empörung in eine Tasche stopfen, so eine wie der merkwürdige Sack, den der Trell mit sich herumträgt – das ist vielleicht ein merkwürdiger Sack! Ist da drin vielleicht ein anderes Fragment gefangen? Diese Möglichkeit ist … durchaus möglich. Eine wahrscheinliche Wahrscheinlichkeit, in der Tat, eine gewisse Gewissheit. Ich brauche nichts anderes zu tun, als dem Jhag mein treuherziges Lächeln zu schenken, um ihm trotz seines widerwärtigen Angriffs meine gütige Geduld zu beweisen. Schließlich bin ich ein größerer Mann, als er es ist, oh ja. All sein Getue, seine Posen, seine schlecht getarnten, geflüsterten Bemerkungen – horch!« Iskaral Pustl wirbelte herum, starrte an dem Felsblock vorbei blinzelnd in den Wald.
    »Hört Ihr etwas, Hohepriester?«, fragte Icarium leise.
    »Hören, hier?« Pustl runzelte die Stirn. »Warum fragt Ihr mich das?«
    Mappo wandte sich an Apsalar. »Wie weit seid ihr in diesen Wald hineingegangen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Nicht weit.
    »Ich gehe voran«, sagte Fiedler. »Einfach geradeaus, nehme ich an, an diesem Fels vorbei?«
    Es gab keine anderen Vorschläge.
    Sie marschierten los. Fiedler übernahm die Spitze, die Armbrust schussbereit in Hüfthöhe, einen Bolzen mit einer Moranth-Splitterbombe aufgelegt. Ihm folgte Icarium, den Bogen noch immer auf dem Rücken, das Schwert in der Scheide. Pustl, Apsalar und ihr Vater waren die Nächsten, und schließlich kam Crokus ein paar Schritte vor Mappo, der die Nachhut bildete.
    Mappo war sich nicht sicher, ob er so schnell auf eine Bedrohung reagieren konnte wie der Jhag, aus diesem Grunde hatte er den Knochenhammer aus seinem Sack geholt. Trage ich tatsächlich in meinem zerschlissenen Rucksack ein Fragment dieses Gewirrs mit mir herum? Und wie geht es dann meinen unglücklichen Opfern? Vielleicht habe ich sie ja ins Paradies geschickt – das ist zumindest ein Gedanke, der mein Gewissen beruhigt …
    Der Trell war schon früher durch alte Wälder gereist, und dieser hier unterschied sich nicht sonderlich von jenen, die er bereits kennen gelernt hatte. Vogelgezwitscher erklang nur selten und aus größerer Entfernung, und abgesehen von Insekten und den Bäumen und Pflanzen selbst gab es keinerlei Anzeichen von Leben. Wenn man dazu neigte, wäre es an einem solchen Ort ein Leichtes gewesen, der Vorstellungskraft die Zügel schießen zu lassen und der urzeitlichen Atmosphäre eine brütende Präsenz anzudichten. Ein Ort, an dem dunkle Legenden wahr werden, an dem wir nicht mehr sind als Kinder, die bei bedeutungsschweren Geschichten erzittern … pah, was für ein Unsinn! Der Einzige, der hier düster vor sich hin brütet, bin ich.
    Sie konnten dicke Wurzeln unter ihren Füßen spüren; hier und dort konnte man durch die Humusschicht erkennen,

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