Im Bann der Wüste
über dem Boden herangeschossen, bohrten sich an allen Seiten in Holz und Fleisch. Duiker rollte durch eine tiefe, krumme Furche und prallte dann gegen das Speichenrad eines Wagens.
»Lass das Seil los!«, kommandierte die Seesoldatin. »Wir sind da, Duiker – «
Wir sind da.
Er wischte sich den Schlamm aus den Augen und blieb tief geduckt, während er sich zum ersten Mal umblickte. Wickanische Reiterkrieger, Sappeure und Seesoldaten lagen zwischen toten und sterbenden Pferden; alle waren so dicht mit Pfeilen gespickt, dass das Gelände aussah wie ein Schilfbeet. Die Wagen der Adligen waren vom Ende der Furt weggeräumt und in einer halbmondförmigen Verteidigungs-Formation aufgestellt worden, wobei der Kampf sich inzwischen von ihnen weg in den Wald verlagert hatte.
»Wer kämpft da?«, fragte Duiker keuchend. Die Frau, die neben ihm im Schlamm lag, grunzte. »Nur, was von den Sappeuren und den Seesoldaten noch übrig ist – und ein paar überlebende Wickaner.«
»Und das ist alles?«
»Wir kriegen niemand anderen mehr rüber. Außerdem sind die Siebte und mindesten zwei von den Clans in der Nachhut in einen Kampf verwickelt. Wir sind auf uns selbst gestellt, Duiker, und wenn wir diesen Wald nicht säubern können …«
Werden wir alle ausgelöscht.
Sie packte einen nahe gelegenen Leichnam und zog ihn näher zu sich heran, nahm dem toten Wickaner den Helm ab. »Der hier sieht so aus, als ob er dir besser passen würde als mir. Hier, alter Mann.«
»Gegen wen kämpfen wir da in den Wäldern?«
»Es sind mindestens drei Kompanien. Allerdings größtenteils Bogenschützen. Ich glaube, Korbolo Dom hat nicht damit gerechnet, dass sich im vorderen Bereich des Flüchtlingszuges auch Soldaten befinden könnten. Der Plan war, die Flüchtlinge zu benutzen, um unseren Aufmarsch zu blockieren und uns daran zu hindern, ans Ufer zu gelangen.«
»Als hätte Korbolo Dom gewusst, dass Coltaine das Angebot ablehnen, die Adligen aber darauf eingehen würden.«
»Genau. Der Pfeilhagel wird schwächer – die Sappeure treiben sie zurück – bei den Göttern, die Burschen sind das gestaltgewordene Gemetzel! Suchen wir uns ein paar vernünftige Waffen, dann stürzen wir uns ins Getümmel!«
»Geh du ruhig«, sagte Duiker. »Aber ich werde hier bleiben – in Sichtweite des Flusses. Ich muss sehen …«
»Du wirst aufgespießt werden, alter Mann.«
»Das muss ich riskieren. Und jetzt mach, dass du loskommst!«
Sie zögerte kurz, dann nickte sie und huschte über die Leichen davon.
Der Historiker fand einen runden Schild und kletterte auf den nächststehenden Wagen, wo er beinahe auf eine zusammengekauerte Gestalt getreten wäre. Er starrte auf den zitternden Mann hinunter. »Nethpara.«
»Bitte, rettet mich!«
Ohne weiter auf den Adligen zu achten, richtete Duiker seine Aufmerksamkeit wieder auf den Fluss.
Der Strom der Flüchtlinge, die das Südufer erreicht hatten, kam nicht weiter; sie begannen, sich am Ufer entlang zu verteilen. Duiker sah, wie ein Mob die Mannschaft an den Seilen der flussaufwärts treibenden Schwimmbrücke entdeckte und sie – ohne darauf zu achten, dass sie weder Waffen noch Rüstungen besaßen – mit wahnsinniger Wildheit angriff. Die Männer wurden im wahrsten Sinne des Wortes in Stücke gerissen.
Das Gemetzel hatte den Fluss stromabwärts in eine rosafarbene Masse aus rot befleckten Insekten und Leichen verwandelt, und die Zahl der Toten nahm noch immer zu. In Korbolos Plan zeigte sich ein weiterer Fehler, als der Pfeilhagel von der flussaufwärts gelegenen Brücke schwächer wurde – die Bogenschützen hatten ihren Pfeilvorrat aufgebraucht. Sie hatten die schwimmende Plattform treiben lassen, um den Zwischenraum zu schließen, sodass die Pikeniere schließlich an die unbewaffneten Zivilisten in der Furt herankamen. Doch sie hatten nicht mit der rasenden Wut gerechnet, die ihnen entgegenschlug. Die Flüchtlinge waren an einem Punkt angelangt, an dem jede Furcht bedeutungslos geworden war. Hände wurden zerschnitten, als sie sich um Pikenpitzen schlossen, doch sie ließen nicht los. Andere warfen sich mit großen Sprüngen vorwärts, um zu den Bogenschützen hinter der wankenden Linie der Pikeniere zu gelangen. Die Brücke sackte unter dem zusätzlichen Gewicht ab, neigte sich nach einer Seite. Einen Augenblick später kippte sie endgültig ab und zerbrach, und im Fluss wimmelte es von mit den Armen fuchtelnden, kämpfenden Menschen – sowohl Flüchtlinge als auch Korbolo Doms
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