Im Bann der Wüste
zurück.
Kalam bewegte sich auf den Bug zu, am Hauptmast vorbei, wo die beiden Trupps Seesoldaten vor dem Vorderdeck kauerten. Auf den Feldzügen des Imperiums hatte der Assassine mehr als genug Stürme überstanden – in Galeeren, Truppentransportern und Triremen, auf drei Ozeanen und einem halben Dutzend Meeren. Dieser Sturm war – zumindest bis jetzt – vergleichsweise zahm. Die Seesoldaten machten grimmige Gesichter, wie es kurz vor einem Kampf zu erwarten war, abgesehen davon jedoch wirkten sie gelassen, während sie im gedämpften Schein einer abgeblendeten Laterne ihre Armbrüste bereit machten.
Kalam ließ seinen Blick über die Soldaten wandern, bis er den Leutnant gefunden hatte. »Auf ein Wort, Leutnant – «
»Jetzt nicht«, schnappte sie, während sie den Helm aufsetzte und den Wangenschutz zurechtrückte. »Geht nach unten.«
»Er will sie rammen – «
»Ich weiß, was er tun will. Und wenn es danach hart auf hart geht, können wir alles Mögliche gebrauchen – bloß keinen verdammten Zivilisten, beim Vermummten, auf den wir dann auch noch aufpassen müssen.«
»Befolgt Ihr die Befehle des Kapitäns … oder die des Schatzmeisters?«
Bei diesen Worten schaute sie auf, kniff abschätzend die Augen zusammen. Die anderen Seesoldaten hatten plötzlich Besseres zu tun, als sich um ihre Armbrüste zu kümmern. »Geht unter Deck«, sagte sie.
Kalam seufzte. »Ich bin ein Veteran des Imperiums, Leutnant.«
»Von welcher Armee?«
Er zögerte kurz und sagte dann: »Der Zweiten. Neunter Trupp – die Brückenverbrenner.«
Wie ein Mann fuhren die Seesoldaten zurück. Alle Augen waren jetzt auf Kalam gerichtet.
Der Leutnant machte ein finsteres Gesicht. »Nun, wie wahrscheinlich ist das wohl?«
Ein anderer Seesoldat, ein graubärtiger Veteran, rief mit bellender Stimme: »Wer war Euer Sergeant? Lasst ein paar Namen hören, Fremder.«
»Elster. Noch ein paar andere Sergeanten? Es sind nicht mehr viele übrig. Fahrig. Spindel.«
»Ihr müsst Korporal Kalam sein, stimmt’s?«
Der Assassine musterte den Mann. »Und wer bist du?«
»Niemand, Korporal, und das schon ziemlich lange.« Er warf seinem Leutnant einen Blick zu und nickte.
»Können wir auf Euch zählen?«, fragte sie Kalam.
»Nicht im Voraustrupp, aber ich werde in der Nähe sein.«
Sie schaute sich um. »Der Schatzmeister hat einen Imperialen Erlass – wir sind daran gebunden, Korporal.«
»Ich glaube nicht, dass der Schatzmeister Euch traut; er vermutet wahrscheinlich, dass Ihr Euch für den Kapitän entscheiden werdet, sollte es hart auf hart gehen.«
Sie machte ein Gesicht, als hätte sie plötzlich einen schlechten Geschmack im Mund. »Dieser Angriff ist Wahnsinn, aber es ist verdammt gerissener Wahnsinn.«
Kalam nickte; er wartete.
»Ich schätze, der Schatzmeister hat Grund für seine Vermutung.«
»Wenn es so weit kommen sollte«, sagte der Assassine, »dann überlasst die Leibwächter mir.«
»Beide?«
»Ja.«
Der Veteran meldete sich zu Wort. »Wenn die Haie Magendrücken kriegen, weil sie sich an dem Schatzmeister verschluckt haben, werden wir dafür hängen.«
»Dann solltet ihr irgendwo anders sein, wenn es passiert – und zwar ihr alle.«
Der Leutnant grinste. »Ich glaube, das könnten wir hinkriegen.«
»Nun«, sagte Kalam, laut genug, dass alle Seesoldaten es hören konnten, »ich bin schließlich nichts weiter als ein schwabbelgesichtiger Zivilist, richtig?«
»Wir haben diese ganze Geschichte von wegen abtrünnig und so nie ernsthaft geschluckt«, rief eine Stimme. »Nicht bei Dujek Einarm. Völlig unmöglich.«
Beim Vermummten, nach allem, was ich weiß, könntest du sogar Recht haben, Soldat. Doch er verbarg seine Unsicherheit mit einem halbherzigen Gruß, bevor er sich wieder dem Achterdeck zuwandte.
Die Lumpenpfropf erinnerte Kalam an einen Bären, der durchs Dickicht brach, wie sie sich so schwerfällig, breit und massig in den hoch aufgischtenden Wogen dahinwälzte – ein Frühlingsbär, der seine Höhle erst vor einer Stunde verlassen hat, mit vom Winterschlaf rot geränderten Augen, schlecht gelaunt und voller Hunger, der in seinen Eingeweiden wütet. Ein Stück voraus schleichen zwei Wölfe durch die Dunkelheit … die werden bald eine Überraschung erleben …
Der Kapitän war auf dem Achterdeck und half dem Matrosen, der die Ruderpinne hielt. Sein Erster Offizier stand ganz in der Nähe, den Arm um den Kreuzmast geschlungen. Beide starrten nach vorn in die Dunkelheit, warteten auf den
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