Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
einen Blick auf Mappo und Icarium. Er spürte eine neue Spannung zwischen ihnen, obwohl sie weiter mit vertrauter Leichtigkeit zusammenarbeiteten. Die Spannung kam von den Worten, die unausgesprochen zwischen den beiden standen, vermutete Fiedler. Es scheint, als hätten wir alle mit Veränderungen zu tun. Er schaute hinüber zu Crokus, der starr und mit kaum unterdrückter Ungeduld auf dem freien Pferd hockte, das er sozusagen geerbt hatte. Fiedler hatte den Jungen ein wenig früher dabei ertappt, wie er eine Abfolge von Bewegungen geübt hatte, die Teil einer Übung für den Nahkampf mit Messern waren. Die wenigen Male, die der Sappeur ihn zuvor die Messer hatte gebrauchen sehen, hatte eine Art Verzweiflung seine Technik beeinträchtigt. Crokus besaß allerhand Geschicklichkeit, doch es mangelte ihm an Reife – er war sich seiner selbst als der Person hinter den Messern viel zu sehr bewusst. Das hatte sich geändert, wie Fiedler feststellte, als er den Burschen bei seinen Übungen beobachtete. Es war unbedingt notwendig, die eine oder andere Wunde in Kauf zu nehmen, um den Todesstoß zu führen. Ein Kampf mit dem Messer war immer ein ziemlich widerliches Geschäft. Kalte Entschlossenheit stärkte Crokus jetzt den Rücken, von nun an würde er mehr tun, als einfach nur seinen Mann zu stehen, das wusste der Sappeur plötzlich. Und er würde auch nicht mehr so schnell damit bei der Hand sein, seine Messer zu werfen, es sei denn, er hatte noch genügend Ersatz in den Falten seiner Telaba. Auch das ist jetzt wahrscheinlicher, darauf würde ich wetten.
    Der Himmel war an diesem späten Nachmittag von einem dunstigen Ockergelb; er war bedeckt von den schwebenden Resten des Wirbelwinds, der noch immer im Herzen der Raraku tobte – kaum mehr als zehn Längen entfernt. Dieser erstickende Mantel ließ die Hitze noch drückender werden.
    Mappo befreite den gefangenen Bhok’aral und bekam zum Dank für seine Freundlichkeit einen bösen Biss ins Handgelenk. Die Kreatur turnte halb, halb flog sie die Vorderseite der Klippe hinauf, wobei sie einen unaufhörlichen Strom schimpfenden Gekreischs ausstieß.
    »Gebt uns das Tempo vor!«, rief Fiedler Mappo zu.
    Mappo nickte, und er und Icarium marschierten los.
    Der Sappeur war froh, dass er der Einzige war, der zurückblickte und dabei ein gutes Dutzend Bhok’arala auf der Klippe hocken und zum Abschied winken sah, während Iskaral Pustl bei dem Versuch, diejenigen, die ihm am nächsten waren, mit seinem Besen von den steinernen Mauern des Turms zu fegen, beinahe aus dem Fenster gefallen wäre.
     
    Die Armee der Apokalypse unter dem Kommando des Renegaten Korbolo Dom hatte sich über den zerknitterten Teppich grasbewachsener Hügel verteilt, die den südlichen Rand der Ebene bildeten. Auf jeder Hügelkuppe standen Kommandozelte und die Banner verschiedener Stämme und selbst ernannter Bataillone. Zwischen kleinen Städten aus Zelten und Wagen streiften große Vieh- und Pferdeherden umher.
    Die Vorposten des Lagers wurden von drei ungleichmäßigen Reihen gekreuzigter Gefangener markiert. Gabelweihen, Rhizan und Kapmotten schwirrten um die Opfer herum.
    Die äußerste Reihe ragte keine fünfzig Schritt von Kalams Position entfernt über Erdwällen und Gräben auf. Der Assassine lag flach im hohen, gelben Gras; die Hitze der sonnenverbrannten Erde und der Geruch von Staub und Salbei stiegen um ihn herum in die Höhe. Insekten krabbelten über ihn hinweg, ihre kitzelnden Füße zogen ziellose Pfade über seine Hände und Unterarme. Der Assassine ignorierte sie; seine Blicke hingen an dem Gekreuzigten, der ihm am nächsten war.
    Es war ein junger malazanischer Bursche von nicht mehr als zwölf oder dreizehn Jahren. Kapmotten bedeckten seine Arme von den Schultern bis zu den Handgelenken, sodass sie fast wie Flügel aussahen. Rhizan hatten sich in durcheinander wimmelnden Klumpen um leine Hände und Füße versammelt, wo die eisernen Nägel durch Knochen und Fleisch getrieben worden waren. Der Junge hatte keine Augen und keine Nase mehr – sein Gesicht war eine einzige, fürchterliche Wunde –, doch er war noch am Leben.
    Der Anblick fraß sich in Kalams Herz wie Säure in Bronze. Seine Arme und Beine fühlten sich kalt an, als ob sich sein eigener Anspruch auf das Leben zurückzog, sich in seinen Gedärmen sammelte. Ich kann ihn nicht retten. Ich kann noch nicht einmal einen Akt der Barmherzigkeit begehen und ihn schnell töten. Weder diesen Jungen noch irgendeinen anderen von den

Weitere Kostenlose Bücher