Im Bann der Wüste
Hirtenhunde heulten.
Soldaten erhoben sich wie Gespenster. Waffen klirrten.
Auf der freien Fläche gleich jenseits der am weitesten vorgezogenen Außenposten teilte sich die Luft mit einem brutalen, reißenden Geräusch.
Drei fahle Pferde kamen aus dem Riss gedonnert, gefolgt von drei weiteren, und dann von noch einmal dreien, alle angeschirrt, alle vor Entsetzen schrill wiehernd. Hinter ihnen kam eine gewaltige Kutsche, ein versengter, grellbunt bemalter Leviathan auf sechs Speichenrädern, die mehr als mannshoch waren. Dicke Rauchschwaden stiegen wie derbe Wollfäden von der Kutsche, den Pferden und den drei Gestalten auf, die man nun hinter den letzten drei Rossen erkennen konnte.
Das weiße, wiehernde Gespann befand sich im vollen Galopp, als würden die Pferde Hals über Kopf aus dem Gewirr – welches auch immer es sein mochte – fliehen, durch das sie hergekommen waren. Die Kutsche schwankte wild und bedrohlich, als die Pferde genau auf die Vorposten zurannten.
Wickaner spritzten nach allen Seiten auseinander.
Duiker glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er sah, wie die drei Gestalten die Zügel anzogen und dabei brüllten und sich gegen die Rückenlehne ihres schwankenden Kutschbocks warfen.
Die Pferde stemmten die Hufe in die Erde, versuchten ihren Schwung zu bremsen; hinter ihnen schlingerte die hoch aufragende Kutsche, von der eine Wolke aus Staub und Rauch aufstieg – und eine Ausstrahlung, die der Historiker mit einem beunruhigten Zusammenzucken als Empörung identifizierte. Es war, wie er jetzt begriff, die Empörung eines Gewirrs – und seines Gottes.
Hinter der vorderen Kutsche folgte eine zweite, dann eine dritte, die sich zur einen oder anderen Seite wandten, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, als sie schlitternd zum Halt kamen.
Sobald die ungestüme Vorwärtsbewegung der vordersten Kutsche endgültig zum Stillstand gekommen war, strömten Gestalten aus ihr heraus – gerüstete Männer und Frauen, die brüllten und Kommandos schrien, auf die niemand zu achten schien, und die geschwärzte, verschmierte und tropfende Waffen schwangen.
Einen Augenblick später, als auch die beiden anderen Kutschen standen, ertönte eine laute Glocke.
Die fieberhaften, anscheinend ziellosen Aktivitäten der Gestalten hörten unverzüglich auf. Waffen wurden gesenkt, und eine plötzliche Stille erfüllte die Luft, in der das Geräusch der Glocke verklang. Schnaubend und stampfend warfen die schäumenden Pferde die Köpfe zurück; ihre Ohren zuckten, die Nüstern waren weit aufgerissen.
Die vorderste Kutsche war kaum fünfzehn Schritt von der Stelle entfernt, wo Duiker und die anderen standen.
Der Historiker sah eine abgetrennte Hand, die sich an einer vorstehenden Verzierung an einer Seite der Kutsche festklammerte. Einen Augenblick später fiel sie zu Boden.
Eine winzige, verriegelte Tür öffnete sich, und ein Mann erschien. Er war in seidene Gewänder gekleidet, die jetzt nass geschwitzt waren, und hatte Mühe, seine beträchtliche Körperfülle durch die Öffnung zu zwängen. Auf seinem runden, glänzenden Gesicht spiegelten sich die Nachwirkungen einer gewaltigen Anstrengung, die ihm alles abverlangt hatte. In einer Hand hielt er eine mit einem Stöpsel versehene Flasche.
Er trat einen Schritt vor, schaute Coltaine an und hob die Flasche. »Ihr, Herr«, begann er – sein Malazanisch hatte einen fremdartigen Akzent –, »seid ein paar Antworten schuldig.« Dann grinste er und enthüllte dabei eine Reihe goldüberkronter, mit Diamanten besetzter Zähne. »Eure Heldentaten lassen die Gewirre erzittern! Die Geschichte Eurer Reise verbreitet sich wie ein Lauffeuer in den Straßen von Darujhistan, und zweifellos auch in jeder anderen Stadt, ganz egal, wie weit sie entfernt sein mag! Habt Ihr eine Ahnung, wie viele Menschen zu Euren Gunsten ihre Götter anflehen? Die Opferschreine quellen über! Grandiose Pläne zu Eurer Rettung sind im Überfluss vorhanden! Große Organisationen haben sich formiert, und ihre Anführer kommen zu uns, zur Trygalle-Handelsgilde, um für unsere gefahrvolle Passage zu bezahlen – obwohl«, fügte er etwas leiser hinzu, »alle Passagen der Gilde sind gefährlich, was auch der Grund dafür ist, warum wir so teuer sind.« Er entkorkte die Flasche. »Die große Stadt Darujhistan und ihre bemerkenswerten Bürger – die sich binnen eines Lidschlags über die unersättlichen Wünsche Eures Imperiums, die Stadt und sie selbst betreffend, hinweggesetzt haben – lassen
Weitere Kostenlose Bücher