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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Besprechung des Kommandostabs an dem Historiker vorbeikam. »Und das meine ich nicht nur im übertragenen Sinn, alter Mann. Ich habe heute elf Soldaten verloren. Der Durst hat ihre Kehlen so stark anschwellen lassen, dass sie keine Luft mehr bekommen haben.« Er wedelte mit der Hand, um eine Fliege zu verscheuchen, die vor seinem Gesicht herumschwirrte. »Beim Atem des Vermummten, ich ersaufe in dieser Rüstung – wenn es mit uns zu Ende geht, werden wir aussehen wie die T’lan Imass, Historiker.«
    »Ich kann nicht behaupten, dass mir dieser Vergleich gefällt, Hauptmann.«
    »Das habe ich auch nicht erwartet.«
    »Pferdepisse. Das trinken die Wickaner zurzeit.«
    »Ja. Das Gleiche gilt für meine Leute. Sie wiehern im Schlaf, und mehr als einer ist schon daran gestorben.«
    Drei Hunde trotteten an ihnen vorbei, das riesige Tier namens Bent und ein Weibchen – und hinter ihnen her lief der Schoßhund.
    »Diese verdammten Biester werden uns alle überleben«, brummte Lull.
    Der Himmel wurde dunkler, und die ersten Sterne blinzelten durch den Dunst.
    »Ihr Götter, bin ich müde.«
    Duiker nickte. Oh ja, wir sind wirklich weit gereist, mein Freund, und jetzt stehen wir dem Vermummten gegenüber. Er nimmt die Müden genauso gern wie die Trotzigen, entbietet beiden Gruppen das gleiche Grinsen, wenn er sie willkommen heißt.
    »Heute Abend liegt etwas in der Luft, Historiker. Spürt Ihr es auch?«
    »Ja.«
    »Vielleicht ist das Gewirr des Vermummten in unserer Nähe.«
    »Ja, so fühlt es sich an, nicht wahr?«
    Sie erreichten das Kommandozelt der Faust und traten ins Innere.
    Die üblichen Gesichter waren vor ihnen aufgereiht. Nil und Neder, die beiden letzten Waerlogas; Sulmar und Chenned, Bult und Coltaine selbst. Sie alle waren zu vertrockneten Masken geworden, die dem Willen und der Stärke, die ehemals in ihren Mienen gewesen waren, Hohn sprachen.
    »Wo ist Pfusch?«, fragte Lull, während er sich wie immer auf seinem Feldstuhl niederließ.
    »Ich nehme an, sie hört auf ihren Sergeanten«, sagte Bult. Sein Grinsen hatte etwas Gespenstisches.
    Coltaine hatte keine Zeit für müßiges Gerede. »Etwas nähert sich und wird heute Abend hier sein. Die Waerlogas haben es gespürt  – mehr können sie aber auch nicht sagen. Wir müssen uns darauf vorbereiten.«
    Duiker sah Neder an. »Was ist es für ein Gefühl?«
    Sie zuckte die Achseln und seufzte. »Es ist nicht eindeutig zu bestimmen – Beunruhigung, vielleicht auch Empörung –, ich weiß es nicht, Historiker.«
    »Hast du so etwas schon einmal gespürt? Vielleicht nur ganz schwach?«
    »Nein.«
    Empörung.
    »Zieht die Flüchtlinge eng zusammen«, befahl Coltaine den Hauptleuten. »Verdoppelt die Vorposten – «
    »Faust«, sagte Sulmar. »Wir werden morgen in eine Schlacht ziehen – «
    »Ja, und wir brauchen Ruhe. Ich weiß.« Der Wickaner begann auf und ab zu gehen, doch er tat es langsamer als gewöhnlich. Seine Bewegungen hatten auch ihre Geschmeidigkeit, ihre Leichtigkeit und Eleganz verloren. »Außerdem sind wir ziemlich geschwächt – die Wasserfässer sind knochentrocken.«
    Duiker stöhnte innerlich auf. Eine Schlacht? Nein, morgen wird es ein Gemetzel geben. Soldaten, die nicht in der Lage sein werden zu kämpfen, sich selbst zu verteidigen. Der Historiker räusperte sich, wollte etwas sagen, und blieb dann doch stumm. Ein Wort – doch allein es auszusprechen würde die grausamste aller Illusionen heraufbeschwören. Ein Wort … ein einziges Wort.
    Coltaine starrte ihn an. »Wir können nicht«, sagte er sanft.
    Ich weiß. Für beide Seiten – für die Krieger der Rebellion ebenso wie für uns – muss das Ende blutig sein.
    »Die Soldaten haben nicht mehr die Kraft, Gräben auszuheben«, sagte Lull in die Stille, die im Wissen um das, was ihnen bevorstand, schwer auf allen Anwesenden lastete.
    »Dann sollen sie Löcher graben.«
    »In Ordnung, Faust.«
    Löcher. Um Kavallerieangriffe abzuschwächen … Beine brechen … schreiende Tiere sinken in den Staub …
    Und dann endete die Besprechung von einem Augenblick auf den nächsten, als die Luft sich plötzlich mit Spannung auflud und das, dessen Ankunft gedroht hatte, sich mit einem spröden Knistern ankündigte, einem Nebel von etwas Öligem, wie Schweißtropfen, die sich in der Luft zusammenballten.
    Coltaine führte die Gruppe nach draußen, wo sich die aufgeladene Atmosphäre unter dem glitzernden Baldachin des Himmelzelts zehn Mal so stark manifestierte. Pferde bäumten sich auf.

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