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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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liegen. Der Krähen-Krieger – er war kaum dem Knabenalter entwachsen  – wirkte beinahe friedlich, die Augen geschlossen, als würde er sanft schlummern. Doch für ihn hatten alle Träume ein Ende.
    Duiker trat über den Leichnam hinweg und stand einen Augenblick lang in der Staubwolke, die der Tote verursacht hatte. Das kurze Schwert in seiner rechten Hand war dort mit Blut festgeklebt; immer wenn er seinen Griff verlagerte, gab es ein dumpfes, schmatzendes Geräusch.
    Reiter rasten über das von unzähligen Hufen aufgewühlte Gelände vor dem Historiker. Pfeile kamen herangezischt, summten wie Tigerfliegen durch die Luft. Er wirbelte seinen Schild herum, um einen aufzufangen, der genau auf sein Gesicht zukam, und ächzte, als er den heftigen Aufprall spürte, der ihm den lederbespannten Rand gegen Mund und Kinn knallte und an beiden Stellen die Haut aufplatzen ließ.
    Die tarxianische Kavallerie war durchgebrochen und kurz davor gewesen, das Dutzend noch verbliebener Trupps vom Rest der Kompanie abzuschneiden. Der Gegenangriff des Krähen-Clans war wütend und brutal gewesen, doch er hatte auch hohe Verluste gefordert. Und was das Schlimmste war – er war möglicherweise fehlgeschlagen, wie Duiker feststellen musste, als er sich müde vorwärts schob.
    Die Infanterie-Trupps hatten sich aufgelöst und zu vier Gruppen zusammengetan – nur eine davon bestand aus einer nennenswerten Anzahl von Soldaten –, die jetzt darum kämpften, sich wieder zu vereinigen. Kaum mehr zwanzig Krähen-Krieger saßen noch aufrecht im Sattel, und alle waren von Tarxianern umzingelt, die mit ihren breitklingigen Tulwars auf sie einschlugen. Überall wanden sich Pferde zuckend und schreiend am Boden, traten vor Schmerzen um sich.
    Beinahe hätte ihn die Hinterhand eines Kavalleriepferdes erwischt. Duiker trat einen Schritt zur Seite, dann an das Pferd heran und stieß dem Reiter die Schwertspitze gegen den lederumhüllten Oberschenkel. Die leichte Rüstung leistete einen Moment lang Widerstand, dann warf sich der Historiker mit seinem ganzen Gewicht in den Stoß und spürte, wie sich das Schwert in Fleisch bohrte, tiefer einsank und am Knochen entlangschabte. Er drehte die Klinge.
    Ein Tulwar zuckte herab, grub sich tief in Duikers Schild. Der Historiker duckte sich zur Seite und nach unten weg, zog die festgeklemmte Waffe dabei mit. Frisches Blut rann über seine Schwerthand, als er seine Klinge freibekam. Duiker hackte und schlug auf die Hüfte des Mannes ein, bis das Pferd einen Satz zur Seite machte und den Reiter aus seiner Reichweite trug.
    Er schob die Helmkante hoch, damit er wieder besser sehen konnte, blinzelte Schmutz und Schweiß weg und begann sich dann wieder vorwärts zu schieben, dem größten Haufen Fußsoldaten entgegen.
    Drei Tage waren inzwischen seit der Schlacht am Sanimon-Tal und der blutigen Gnadenfrist, die ihnen von den Khundryl gewährt worden war, vergangen. Ihre unerwarteten Verbündeten hatten die Schlacht damit beendet, dass sie die Überreste der rivalisierenden Stämme bis in die Abendstunden hinein verfolgt hatten, ehe sie sich aufgemacht hatten, um – wahrscheinlich – wieder in ihre Stammesgebiete zurückzukehren. Seither waren sie nicht mehr gesehen worden.
    Die Vorfälle am Sanimon-Tal hatten Korbolo Dom zu einer Art Raserei getrieben, so viel war ganz eindeutig klar. Die Attacken erfolgten jetzt pausenlos, ein Dauerkampf während des Marschs, der sich mittlerweile seit mehr als vierzig Stunden hinzog, und es gab keinerlei Anzeichen, dass er in nächster Zeit beendet sein würde.
    Die von Feinden umgebene Kette der Hunde wurde wieder und wieder angegriffen – von den Flanken, von hinten, und gelegentlich auch von zwei oder drei Seiten gleichzeitig. Was Schwerter, Lanzen und Pfeile nicht schafften, vollendete die Erschöpfung. Soldaten, deren Rüstung in Fetzen hing, stürzten einfach zu Boden, wenn unzählige kleine Wunden ihnen die letzte Kraft geraubt hatten. Herzen versagten, große Blutgefäße unter der Haut platzten und erblühten zu tiefschwarzen Flecken, als ob unter den Soldaten jetzt auch noch eine schreckliche Seuche grassierte.
    Die Szenen, die Duiker mitangesehen hatte, hatten ihn weit über jenen Punkt hinausgetrieben, an dem er noch hätte Entsetzen empfinden können oder die Möglichkeit gehabt hätte, wirklich zu begreifen, was da geschah.
    Er erreichte die Infanterie zum gleichen Zeitpunkt, als die anderen Gruppen sich dem stärksten Trupp anschließen konnten und alle

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