Im Bann der Wüste
Soldaten herumwirbelten und eine Kreisformation bildeten, an die sich kein Pferd herantrauen würde, mochte es auch noch so gut ausgebildet sein.
Im Innern des Rings begann ein Soldat, mit seinem Schwert auf den Schild zu schlagen und im Rhythmus seiner Schläge ein heiseres Gebrüll auszustoßen. Das Rad drehte sich, alle Soldaten schritten gleichzeitig aus, es drehte sich weiter, überquerte das Gelände, drehte sich und kehrte allmählich dorthin zurück, wo der Rest der Kompanie noch immer jene Linie verteidigte, die die westliche Flanke der Kette bildete.
Duiker bewegte sich mit ihnen. Er war ein Teil des äußeren Rings, und er gab jedem verwundeten Feind den Todesstoß, über den das Rad hinwegtrampelte. Fünf berittene Krieger des Krähen-Clans hielten mit den Fußsoldaten Schritt. Sie waren die einzigen Überlebenden des Gegenangriffs, und zwei von ihnen würden nie wieder kämpfen.
Wenige Augenblicke später erreichte das Rad die Linie und verschmolz mit ihr. Die Wickaner gaben ihren schweißgebadeten Pferden die Sporen, um gen Süden davonzurasen. Duiker drängte sich durch die Reihen der Soldaten, bis er auf eine freie Fläche stolperte. Er senkte die zitternden Arme, spuckte Blut auf den Boden und hob dann langsam den Kopf.
Vor ihm marschierte die Masse der Flüchtlinge, eine endlose Prozession, die sich an der Stelle, an der er stand, vorbeiquälte. Hunderte von staubbedeckten Gesichtern waren in seine Richtung gewandt; sie beobachteten die dünne Kette aus Fußsoldaten hinter ihm – die alles war, was zwischen ihnen und einem Blutbad lag –, wie sie schwankte, sich einbeulte und von Minute zu Minute dünner wurde. Die Gesichter waren ausdruckslos, an einen Ort jenseits allen Denkens und jeglichen Gefühls getrieben. Sie waren Teil einer Gezeitenwoge, bei der keine Ebbe möglich war, wo es tödlich war, zu weit zurückzufallen, und ebenfalls stolperten sie weiter und umklammerten dabei ihre letzten und gleichzeitig kostbarsten Besitztümer: ihre Kinder.
Zwei Gestalten näherten sich Duiker; sie kamen von der Nachhut her und schritten am Rand des Flüchtlingsstroms entlang. Der Historiker starrte sie mit leerem Blick an. Er spürte, dass er die beiden eigentlich erkennen müsste – doch alle Gesichter waren für ihn zu Zügen von Fremden geworden.
»Historiker!«
Die Stimme riss ihn aus seinen sich im Kreis drehenden Gedanken. Seine aufgeplatzte Lippe schmerzte, als er antwortete: »Hauptmann Lull.«
Ein umflochtener Krug wurde ihm entgegengestreckt. Duiker steckte sein kurzes Schwert in die Scheide und nahm ihn dankbar an.
Das kühle Wasser schmerzte in seinem Mund, doch er ignorierte den Schmerz, trank hastig.
»Wir haben die Ebene von Geleen erreicht«, sagte Lull.
Seine Begleiterin war Duikers namenlose Seesoldatin. Sie schwankte ein wenig, und der Historiker sah, dass sie eine schlimme Stichwunde in der linken Schulter hatte; eine Lanzenspitze musste sie oberhalb des Schildrands getroffen haben. In dem klaffenden Loch glänzten noch ein paar zerbrochene Kettenglieder ihrer Rüstung.
Ihre Blicke begegneten sich. Duiker konnte nicht einmal mehr einen Funken Lebendigkeit in den einst so schönen hellgrauen Augen erkennen – doch weit schlimmer als das, was er sah, war die Furcht erregende Tatsache, dass es ihn nicht im Geringsten erschreckte, dass er anscheinend zu keinerlei Gefühlen mehr fähig war; noch nicht einmal dazu, Entsetzen zu empfinden.
»Coltaine will Euch sehen«, sagte Lull.
»Dann atmet er also immer noch …«
»Ja.«
»Ich nehme an, dass er das hier haben will.« Duiker zog einen Lederriemen, an dem ein kleines Glasfläschchen befestigt war, unter seiner Rüstung hervor. »Hier – «
»Nein«, entgegnete Lull stirnrunzelnd. »Er will Euch, Historiker. Wir sind auf einen Stamm aus der Sanith-Odhan gestoßen – bis jetzt beobachten sie uns nur.«
»Sieht so aus, als ob die Rebellion hier unten im Süden nicht auf ganz so festen Füßen steht«, murmelte Duiker.
Die Kampfgeräusche entlang der flankierenden Linie wurden schwächer. Eine weitere Pause, ein paar Herzschläge, während dieser sie sich erholen, Waffen und Rüstungen reparieren und ihre Wunden versorgen konnten.
Der Hauptmann winkte ihm, und sie begannen neben den Flüchtlingen entlangzugehen.
»Um welchen Stamm handelt es sich eigentlich?«, fragte der Historiker nach einigen Schritten. »Und – was viel wichtiger ist – was hat das Ganze mit mir zu tun?«
»Die Faust ist zu einem Entschluss
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