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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Abfolge kleiner Stufen, nicht bedeutungsvoller als die Mühe einer Termite.
    Die Welten leben weiter, über uns hinaus, in zahllosen ausufernden Geschichten.
    Vor seinem geistigen Auge sah Fiedler den Horizont, der sich nach allen Seiten erstreckte, und je weiter er sich entfernte, desto kleiner und unbedeutender fühlte sich der Sappeur im Gegenzug.
    Wir sind alle nichts weiter als einsame Seelen. Es lohnt sich, die Bescheidenheit zu kennen, damit wir nicht von der Illusion überwältigt werden, wir könnten wirklich Kontrolle ausüben, wahrhaft herrschen. Und in der Tat scheinen wir eine Spezies zu sein, die für diese Illusion immer wieder aufs Neue anfällig ist …
     
    Nach Coltaines Ende feierten Korbolo Doms Krieger ihren Triumph, und sie feierten auch dann noch weiter, als die Dunkelheit schon längst hereingebrochen war. Die Geräusche der lärmenden Festlichkeit trieben über die Wälle von Aren und brachten eine Atmosphäre der Kälte mit, die wenig mit den tatsächlichen Temperaturen der schwülen Nacht zu tun hatte. Gegenüber dem Nordtor befand sich im Innern der Stadt ein großer Platz, der normalerweise dazu benutzt wurde, Karawanen zusammenzustellen. Dieser Platz war jetzt voller Flüchtlinge. Die Aufgabe, sie irgendwo unterzubringen, würde noch warten müssen; viel notwendiger war es, sie mit Nahrung und Wasser zu versorgen und von den Heilern und Feldschern untersuchen zu lassen.
    Kommandant Blistig hatte die Soldaten der Stadtgarnison mit dieser Aufgabe betraut, und die Männer und Frauen arbeiteten unermüdlich. Die außerordentliche Hingabe, mit der sie sich um die Flüchtlinge kümmerten, schien darauf hinzudeuten, dass sie damit auch ihre eigenen Bedürfnisse stillten – sicher nicht zuletzt als Antwort auf den Triumph der Feinde außerhalb der Wälle. Coltaine, seine Wickaner und die Siebte hatten ihr Leben für die Menschen gegeben, um die sie sich jetzt kümmerten. Eifer wurde schnell zu einer überwältigenden Geste.
    Doch es lagen noch andere Spannungen in der Luft.
    Dass sie alle gestorben sind, war unnötig. Wir hätten sie retten können, wenn wir nicht von diesem Feigling befehligt würden. Zwei wichtige Ehrbegriffe waren aufeinander geprallt – die Pflicht, das Leben der Kameraden zu retten, und die Disziplin, die die malazanische Befehlsstruktur verlangte – und an diesem Widerstreit waren zehntausend lebendige, atmende, hervorragend ausgebildete Soldaten innerlich zerbrochen.
    Unten auf dem Platz wanderte Duiker ziellos durch die Menge. Dann und wann tauchten Gestalten vor ihm auf, verschwommene Gesichter, die bedeutungslose Worte murmelten; sie sagten etwas, von dem sie glaubten – hofften –, dass es seinen Schmerz lindern würde. Die wickanischen Jungen und Mädchen hatten sich um Nil und Neder geschart und beschützten sie mit einer solchen Wildheit, dass alle sie in Ruhe ließen. Zahllose Flüchtlinge waren praktisch von der Schwelle zum Tor des Vermummten zurückgeholt worden, jeder davon eine Quelle wilden Trotzes; die Genugtuung darüber spiegelte sich in glänzenden Augen und gebleckten Zähnen. Um jene, für deren gebrochene, geschundene Körper die letzte Etappe der Flucht  – und vielleicht auch die erlösende Rettung selbst – zu viel gewesen war, wurde unnachgiebig und verzweifelt gekämpft. Der Vermummte musste sich nach diesen schwindenden Seelen strecken, er musste sich strecken, sie packen und ins Vergessen zerren, während die Heiler sich mit all ihrem Geschick gegen seine Bemühungen zur Wehr setzten.
    Duiker hatte tief in seinem Innern sein eigenes Vergessen gefunden, und er hatte nicht den Wunsch, diesen Ort und seine tröstliche Betäubung wieder zu verlassen. Hier konnte der Schmerz nur an den äußersten Ecken nagen, und diese Ecken schienen immer weiter wegzurücken.
    Hin und wieder sickerten ein paar Worte zu ihm durch, wenn ihm verschiedene Offiziere und Soldaten Einzelheiten von Dingen mitteilten, von denen sie glaubten, dass der Historiker sie erfahren sollte. Es war nicht notwendig, dass sie so vorsichtig mit ihm sprachen, denn er nahm nur die nackten Informationen auf, die nicht von irgendwelchen Gefühlen belastet waren. Duiker war längst über den Punkt hinaus, an dem ihn noch etwas hätte verletzen können.
    Von einem wickanischen Jungen namens Temular hörte er, dass die Silanda mit ihrer Ladung verwundeter Soldaten noch nicht angekommen war. Die Flotte von Mandata Tavore war weniger als eine Woche entfernt. Korbolo Dom würde

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