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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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immer an ihrer Seite.
    Der Feind gab auf beiden Seiten nach; er zuckte in zeitlicher Abstimmung zurück, die zwar nur instinktiv, aber überaus präzise war.
    Reiter vom Tollhund-Clan strömten wieder die Rampe hinab. Sie teilten sich um die beiden Waerlogas und das immer noch reglose Pferd und schwenkten dann nach Süden, um die fliehenden Fußsoldaten aus Halaf und Sialk und die Tithansi-Bogenschützen zu verfolgen.
    Plötzlich überwältigt sank Duiker auf die Knie. Seine Gefühle waren ein Gemisch aus Trauer, Zorn und Entsetzen. Sprich heute nicht von einem Sieg. Nein, sprich am besten überhaupt nicht.
    Irgendjemand kam keuchend auf die Böschung gestolpert. Schritte kamen näher, und dann legte sich eine behandschuhte Hand schwer auf die Schulter des Historikers. Eine Stimme erklang, und Duiker hatte einige Mühe, sie zu erkennen. »Sie machen sich über unsere Adligen lustig, alter Mann, habt Ihr das gewusst? Sie haben uns einen Namen auf Debrahl gegeben. Wisst Ihr, wie er auf Malazanisch heißt? ›Die Kette der Hunde‹. Coltaines Kette der Hunde. Er führt und wird doch geführt. Er drängt vorwärts, doch er wird zurückgehalten, er fletscht die Zähne, aber was schnappt nach seinen Fersen, wenn nicht diejenigen, die zu schützen er geschworen hat? Ah, solche Namen sind voller Tiefgründigkeit, findet Ihr nicht auch?«
    Die Stimme gehörte Lull, doch sie klang irgendwie verändert. Duiker hob den Kopf und starrte dem Mann, der neben ihm kauerte, ins Gesicht. Ein einzelnes blaues Auge glitzerte inmitten einer Masse aus zerfetztem Fleisch. Der Hauptmann hatte einen Hieb mit einem Streitkolben abbekommen, der ihm den Wangenschutz ins Gesicht getrieben, eine Wange zerschmettert, ein Auge zerfetzt und die Nase abgerissen hatte. Die entsetzliche Ruine, in die sich Lulls Gesicht verwandelt hatte, verzog sich zu etwas, das wohl ein Grinsen sein sollte. »Ich hab Glück gehabt, Historiker. Schaut, mir ist nicht ein einziger Zahn ausgeschlagen worden – es wackelt noch nicht mal einer.«
     
    Die Aufzählung der Verluste war eine betäubende Litanei von der Sinnlosigkeit des Krieges. Nach Ansicht des Historikers konnte nur der Vermummte triumphierend lächeln.
    Der Wiesel-Clan hatte den Angriff der Tithansi-Lanzenreiter und ihres von einem Provinzgott besessenen Anführers erwartet. Ein Hinterhalt der Erdgeister hatte den Kriegshäuptling der Semk gefällt; er war förmlich in Stücke gerissen worden, so sehr hatten die Erdgeister danach gehungert, ihn zu zerfetzen und die Überbleibsel des Semk-Gottes zu verschlingen. Dann hatte der Wiesel-Clan die eigene Falle zuschnappen lassen, und auch dieser Plan hatte etwas Entsetzliches, denn die Flüchtlinge waren der Köder gewesen, und Hunderte von ihnen waren bei der nüchternen, kaltblütigen Ausführung des Plans getötet oder verwundet worden.
    Die Kriegshäuptlinge des Wiesel-Clans konnten behaupten, dass sie den Angreifern vier zu eins unterlegen gewesen waren, dass einige von denen, die sie zu beschützen geschworen hatten, geopfert worden waren, um den Rest zu retten. Das war alles richtig, und es war eine vertretbare Rechtfertigung dessen, was sie getan hatten. Doch die Kriegshäuptlinge sagten nichts. Dieses Schweigen rief zwar bei den Flüchtlingen – besonders beim Rat der Adligen – Empörung hervor, doch Duiker sah die ganze Angelegenheit in einem anderen Licht. Die wickanischen Stämme verachteten laut ausgesprochene Begründungen und Entschuldigungen – sie akzeptierten auch keine von anderen und überschütteten jene, die es dennoch versuchten, mit Hohn und Spott. Und im Gegenzug boten sie auch keine an – was nach Duikers Meinung daran lag, dass sie denen, die geopfert worden waren – und ihrem Volk –, so viel Respekt entgegenbrachten; dieser Respekt verbot es jedoch geradezu, etwas so Niederträchtiges und Selbstsüchtiges zu tun, wie sich über ihre Taten auszulassen.
    Es war ihr Pech, dass die Flüchtlinge nichts davon verstanden, dass für sie das Schweigen der Wickaner an sich schon ein Ausdruck der Verachtung war, eine Geringschätzung derjenigen, die gefallen waren.
    Der Wiesel-Clan hatte jenen, die gestorben waren, noch auf eine andere Art Ehre erwiesen. Denn sie hatten im Becken auch die Tithansi-Bogenschützen niedergemetzelt, und dadurch war ein ganzer Stamm praktisch ausgelöscht worden. Die Vergeltung der Wickaner war absolut gewesen. Und das war noch nicht alles, denn sie waren auf Reloes Bauern-Armee gestoßen, die – viel zu

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