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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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der noch nicht sinnlos betrunken war. Ein Hinterzimmer, das nicht weniger anrüchig aussah, gewährte den etwas privilegierteren Gästen ein wenig Zurückgezogenheit, und in dieses Hinterzimmer hatte Kalam auch seine Gruppe geführt, um etwas zu essen, während in dem verwahrlosten Garten ein Waschzuber vorbereitet wurde. Dann war der Assassine in den Hauptraum hinübergegangen und hatte sich zu dem einzigen noch ansprechbaren Gast an den Tisch gesetzt.
    »Es ist das Essen, stimmt’s?«, fragte der grauhaarige Napanese, sobald Kalam sich ihm gegenüber niedergelassen hatte.
    »Oh, es ist das Beste in der ganzen Stadt.«
    »So oder so ähnlich hat es der Rat der Küchenschaben beschlossen.«
    Kalam schaute dem blauhäutigen Mann dabei zu, wie er den Krug an die Lippen hob und wie sein großer Adamsapfel sich auf und ab bewegte. »Sieht so aus, als könntest du noch einen vertragen.«
    »Mit Leichtigkeit.«
    Der Assassine drehte sich ein Stück auf seinem Stuhl herum, erhaschte den teilnahmslosen Blick der alten Frau, die neben dem Bierfass an einem Stützpfosten lehnte, und hob zwei Finger. Sie seufzte, richtete sich auf, hielt kurz inne, um das Fleischerbeil zurechtzurücken, das hinter dem Gürtel ihrer Schürze steckte, und machte sich dann auf die Suche nach zwei Bierkrügen.
    »Wenn du sie begrapschst, bricht sie dir den Arm«, sagte der Fremde.
    Kalam lehnte sich zurück und betrachtete den Mann. Sein Alter war schwer zu schätzen; er konnte genauso gut dreißig wie sechzig Jahre alt sein, je nachdem, wie viel Tribut das Leben von ihm gefordert hatte. Sein Gesicht – zumindest der Teil, der trotz des mit eisengrauen Strähnen durchzogenen, verfilzten Barts zu sehen war – war von Wind und Wetter gegerbt. Die dunklen Augen standen keinen Augenblick still; ihr Blick wanderte hierhin und dorthin, ohne an dem Assassinen hängen zu bleiben. Der Mann trug ausgebeulte, fadenscheinige Lumpen. »Die Frage drängt sich geradezu auf«, sagte der Assassine. »Wer bist du, und wie ist deine Geschichte?«
    Der Mann streckte sich. »Du glaubst, ich erzähle das so einfach jedem, der daherkommt?«
    Kalam wartete.
    »Nun«, fuhr der Mann fort, »nicht jedem. Manche Menschen werden grob und hören einfach nicht mehr zu.«
    An einem der Nebentische fiel ein besinnungsloser Stammgast von seinem Stuhl. Es gab ein knirschendes Geräusch, als sein Kopf auf den Bodenfliesen aufschlug. Kalam, der Fremde und die alte Frau  – die gerade mit zwei Zinnkrügen wieder aufgetaucht war – sahen zu, wie der Betrunkene langsam auf fettigem Dreck und Erbrochenem die Grube hinunterrutschte, um neben dem Haufen in der Mitte liegen zu bleiben.
    Es zeigte sich, dass eine der Ratten nur so getan hatte, als wäre sie tot; jetzt eilte sie herbei und kletterte mit zuckender Nase auf den Betrunkenen.
    Der Mann, der dem Assassinen gegenübersaß, grunzte. »Jeder ist ein Philosoph.«
    Die Schankfrau brachte die Getränke; der eigentümliche Weg, den sie zu ihrem Tisch genommen hatte, verriet, dass sie sich mit dem löchrigen Fußboden bestens auskannte. Sie schaute Kalam an und sagte auf Debrahl: »Deine Freunde da hinten haben nach Seife gefragt.«
    »Ja, das kann ich mir gut vorstellen.«
    »Wir haben keine Seife.«
    »Das ist mir auch gerade klar geworden.«
    Sie entfernte sich wieder vom Tisch.
    »Ich nehme an, ihr seid gerade erst angekommen«, sagte der Fremde. »Durch das Nordtor?«
    »Hm.«
    »Das ist ’ne echte Klettertour, vor allem, wenn man Pferde dabeihat.«
    »Das heißt, dass das Nordtor geschlossen ist.«
    »Versiegelt, genau wie die anderen. Vielleicht seid ihr ja auch im Hafen angekommen.«
    »Vielleicht.«
    »Der Hafen ist geschlossen.«
    »Wie kann man den Hafen von Aren schließen?«
    »Na gut, er ist nicht geschlossen.«
    Kalam nahm einen Mund voll Bier, schluckte ihn hinunter und erstarrte.
    »Es wird eher noch schlimmer, wenn man ein paar davon gehabt hat«, sagte der Fremde.
    Der Assassine stellte den Krug wieder auf den Tisch. Er brauchte einen Moment, um seine Stimme wieder zu finden. »Erzähl mir ein paar Neuigkeiten.«
    »Warum sollte ich das tun?«
    »Ich habe dir etwas zu trinken spendiert.«
    »Und dafür soll ich dankbar sein? Beim Atem des Vermummten, Mann, du hast doch selbst gemerkt, wie das Zeug schmeckt.«
    »Normalerweise habe ich nicht so viel Geduld.«
    »Oh, na schön. Warum hast du das nicht gleich gesagt?« Der Mann leerte den ersten Krug und griff nach dem zweiten. »Manches Bier wächst einem ans Herz.

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