Im Bann der Wüste
die er packte, verbrannte zu einem schwarzen, verstümmelten Klumpen aus Fleisch und Knochen. Doch der Schwarm verteilte sich; mehr und mehr der stummen Kreaturen kletterten aufeinander, wogten wellenförmig über den Boden.
Sie entfernten sich von der Stelle, an der Kulp gelegen hatte. Felisin sah feuchte Knochen aufblitzen, erkannte einen zerfetzten Regenumhang. Doch die Bedeutung dessen, was sie sah, begriff sie nicht.
Der Wechselgänger auf der anderen Seite der Schutzzauber griff erneut in rasender Wut die Barriere an. Diesmal dauerte es länger, bis die Wunden sich schlossen, die er riss. Eine Bärentatze und ein Stück Unterarm – so dick wie Felisins Taille – griff durch einen breiteren Riss.
Die Ratten türmten sich zu einer wimmelnden Woge auf, um auch Heboric zu verschlingen. Noch immer schreiend, wich der Priester stolpernd zurück.
Eine Hand packte Felisin von hinten am Kragen und zog sie auf die Beine. »Schnapp ihn dir und lauf, Mädchen!«
In ihrem Kopf wirbelte alles durcheinander. Sie drehte sich um – und starrte in Baudins wettergegerbtes Gesicht. In der anderen Hand hielt er vier von den Laternen. »Nun mach schon, verdammt noch mal!« Er stieß sie kräftig auf den ehemaligen Priester zu, der, noch immer von der brodelnden Flutwelle aus Ratten verfolgt, rückwärts stolperte. Hinter Heboric warfen sich zwei Tonnen Bär gegen die Barriere.
Baudin sprang an Heboric vorbei und schleuderte eine der Laternen auf den Boden. Brennendes Lampenöl sprühte in alle Richtungen.
Ein wildes Kreischen stieg von den Ratten auf.
Die vier Diener brachen in abgehacktes Gelächter aus.
Die Flutwelle wogte über Baudin hinweg, die Ratten konnten ihn nicht zu Boden zwingen, wie sie es mit Kulp getan hatten. Er schwang die Laternen, zerschmetterte sie. Feuer brach um ihn herum aus. Einen Augenblick später standen er und Hunderte von Ratten in Flammen.
Felisin erreichte Heboric. Der alte Mann war blutüberströmt; das Blut floss aus zahllosen kleinen Wunden. Seine blinden Augen schienen auf ein inneres Entsetzen gerichtet zu sein, das der Szene vor ihnen entsprach. Sie packte ihn am Arm und zog ihn beiseite.
Die Stimme des Kaufmanns war plötzlich in ihrem Kopf. Fürchte dich nicht, meine Liebe. Ich biete dir Reichtum und Frieden, und jeden nur denkbaren Genuss, um deine Wünsche zu befriedigen; und ich bin gütig – oh ja, so gütig zu jenen, die ich erwähle …
Sie zögerte.
Überlass mir diesen Fremden mit der harten Haut und den alten Mann, und dann werde ich mich um Messremb kümmern, den widerlichen, unverschämten Wechselgänger, der mich nicht mag …
Doch sie hörte den Schmerz in seinen Worten, ein erstes Anzeichen von Verzweiflung. Der Wechselgänger warf sich noch immer gegen die Barriere, sein hungriges Gebrüll war ohrenbetäubend.
Baudin fiel immer noch nicht. Er tötete Ratte um Ratte, alles innerhalb eines Schleiers aus Flammen, doch sie schwemmten in immer größerer Zahl über ihn hinweg, löschten das brennende Öl mit der schieren Masse ihrer Leiber.
Felisin warf einen Blick auf den Wechselgänger, schätzte seine Furcht einflößende Kraft ein, seine unerschrockene Wut. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Du bist in Schwierigkeiten, Vielwandler.« Sie packte Heboric erneut und zog ihn auf die in sich zusammenfallende Barriere zu.
Meine Liebe! Warte! Oh, du verdammter, störrischer Sterblicher, warum stirbst du nicht endlich!
Felisin konnte nicht anders, sie musste grinsen. Das wird nicht funktionieren – ich muss es wissen.
Der Wirbelwind hatte seinerseits begonnen, die Barriere anzugreifen. Vom Wind gepeitschte Sandkörner schmirgelten über ihr Gesicht.
»Warte!«, keuchte Heboric. »Kulp …«
Kälte breitete sich schlagartig in Felisin aus. Er ist tot, oh ihr Götter, er ist tot! Verschlungen. Und ich habe zugesehen, betrunken und sorglos, ohne etwas zu bemerken – »eins nach dem andern.« Kulp ist tot. Sie unterdrückte ein Schluchzen, stieß den Ex-Priester gegen die Barriere und dann durch sie hindurch, als der magische Schutzwall schließlich zusammenbrach. Das triumphierende Gebrüll des Wechselgängers begleitete seinen stürmischen Angriff, der ihn mitten unter die Ratten führte. Felisin drehte sich nicht um, um sich das Ergebnis der Attacke anzusehen, drehte sich auch nicht um, um zu sehen, wie es Baudin ergangen war. Sie zerrte Heboric mit sich und rannte hinaus in die Dunkelheit und den Sturm.
Sie kamen nicht weit. Die Wut des Sandsturms
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