Im Bann der Wüste
prügelte auf sie ein, stieß sie, trieb sie schließlich in den erbärmlichen Schutz einer überhängenden Felsplatte. An ihrem Fuß brachen sie zusammen, klammerten sich aneinander, warteten auf den Tod.
Der Alkohol, den Felisin noch immer im Blut hatte, machte sie schläfrig. Sie wollte sich zuerst gegen die Müdigkeit wehren, gab dann aber doch nach; sie sagte sich, dass das Entsetzen sie bald wieder einholen würde, und Zeuge des eigenen Todes zu sein hatte nun wirklich überhaupt nichts Tröstendes. Ich sollte Heboric jetzt etwas über den wahren Wert von Wissen erzählen. Aber er wird es von allein begreifen. Es wird nicht lange dauern. Ganz bestimmt nicht …
Als sie erwachte, war es um sie herum still; nein, das stimmte nicht – es war nicht ganz still. In der Nähe weinte jemand. Felisin öffnete die Augen. Der Sturm des Wirbelwinds war abgeflaut. Der Himmel über ihr war ein goldener Schleier aus schwebendem Staub. Er war nach allen Seiten so dicht, dass sie nicht weiter als ein halbes Dutzend Schritte sehen konnte. Doch die Luft war ruhig. Bei den Göttern, der Vielwandler ist zurückgekehrt – aber nein, die Ruhe war überall.
Sie setzte sich auf; ihr Kopf schmerzte, und ihr Mund war schrecklich trocken.
Einige Schritte entfernt kniete Heboric; er war hinter dem leuchtenden Schleier nur verschwommen zu erkennen. Unsichtbare Hände waren gegen sein Gesicht gepresst, zogen die Haut in bizarre Falten, als trüge er eine groteske Maske. Sein ganzer Körper hob und senkte sich vor Kummer, und er schaukelte ununterbrochen vor und zurück, vor und zurück …
Erinnerungen stiegen in Felisin auf. Kulp. Sie spürte, wie sich ihr Gesicht verzog. »Er hätte irgendwas spüren müssen«, brachte sie krächzend hervor.
Heborics Kopf ruckte in die Höhe; er starrte sie aus seinen blinden, roten, verschleierten Augen an. »Was?«
»Der Magier«, schnappte sie und schlang dabei die Arme um ihren Oberkörper. »Der Bastard war ein Vielwandler. Der Magier hätte es wissen müssen!«
»Bei den Göttern, Mädchen! Ich wollte, ich hätte deinen Panzer.«
Und selbst wenn ich darunter bluten würde – du würdest nichts sehen, alter Mann. Niemand wird es sehen. Niemand wird es bemerken.
»Wenn ich den hätte«, fuhr Heboric nach einem Augenblick fort, »wäre ich in der Lage, an deiner Seite zu bleiben und dir meinen Schutz – in welcher Form auch immer – anzubieten, obwohl ich mich zugegebenermaßen fragen würde, warum ich mir die Mühe mache. Trotzdem würde ich es tun.«
»Was brabbelst du da?«
»Ich habe Fieber. Der Vielwandler hat mich vergiftet, Mädchen. Und das Gift kämpft gegen die anderen Fremden in meiner Seele – ich weiß nicht, ob ich das überleben werde, Felisin.«
Sie hörte ihm kaum noch zu. Ihre Aufmerksamkeit war von einem schleifenden Geräusch abgelenkt worden. Jemand näherte sich, hinkend, taumelnd, begleitet vom Geräusch knirschender Steinchen. Felisin mühte sich auf die Beine, um sich die Ursache dieser Laute anzusehen.
Heboric verstummte; er hielt den Kopf ein wenig schief.
Die Gestalt, die aus dem ockerfarbenen Nebel auftauchte, versetzte ihr einen Stich, der durch und durch ging und sie noch näher an den Rand des Wahnsinns trieb. Ein Wimmern entrang sich ihrer Kehle.
Baudin war verbrannt, angenagt, ganze Teile komplett weggefressen. An einigen Stellen war er bis auf die Knochen verkohlt, und in der Hitze hatten sich die Gase in seinem Bauch ausgedehnt, hatten ihn aufgeblasen, als wäre er schwanger; teilweise waren seine Haut und sein Fleisch aufgeplatzt. Von seinen Gesichtszügen war nichts übrig geblieben. Wo seine Augen, seine Nase und sein Mund hätten sein sollen, klafften nur noch ausgefranste Löcher. Doch Felisin wusste, dass er es war.
Er taumelte einen weiteren Schritt näher und sank dann langsam zu Boden.
»Was ist das?«, fragte Heboric zischend. »Dieses Mal bin ich wirklich blind … Wer ist da gekommen?«
»Niemand«, sagte Felisin nach einem langen Augenblick. Langsam ging sie zu dem Ding hinüber, das einst Baudin gewesen war. Sie ließ sich in den warmen Sand sinken, nahm seinen Kopf und hob ihn auf ihre Oberschenkel.
Er spürte, dass sie da war, und hob eine verkrustete, verbrannte Hand, die einige Augenblicke neben ihrem Ellenbogen schwebte, ehe sie zurückfiel. Mühsam brachte er ein paar Worte hervor. »Das Feuer … hab gedacht … bin immun …«
»Du hast dich geirrt«, flüsterte sie, und das Bild eines Panzers in ihrem Innern riss
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