Im Bann des Adlers
suchen, die mich hier raus brachte. Seufzend legte ich den Kopf auf meine Knie. Eine Haltung, die nicht bequem war, mich aber immerhin etwas wärmte. Während ich schon wieder wegdriftete, dachte ich an José und all die schönen Momente, die wir miteinander erlebt hatten. Zu wissen, was ich ihm alles angetan hatte, brach mir das Herz. Vielleicht war es ja besser zu sterben, als ihm in die Augen sehen und um Vergebung bitten zu müssen. Wenn ich tot war, kam die Wahrheit wahrscheinlich nie ans Licht und José könnte sich ohne irgendwelche Zweifel an unsere Liebe erinnern.
Hernandez
Lässig saß Hernandez auf dem Bett und kontrollierte seine Atmung, während er darauf wartete, dass Geronimo nach dem Anklopfen, in das Zimmer spazierte. Der Anführer des Ordens schien nichts zu bemerken, als er auf ihn zukam. „Na wie hat Ihnen unsere kleine Vorführung gefallen? Ich hoffe wir haben Sie nicht zu sehr verschreckt? Dies ist nun mal die Art unseres Glaubens.“ „Oh, in keiner Weise. Ich möchte zwar nicht behaupten, dass ich so etwas gewöhnt bin. Aber wie mir scheint, geht es den Menschen hier gut. Also besteht wohl kein Grund zur Sorge. Aber einige Fragen habe ich schon.“ Er wusste, damit hatte er sich weit vorgewagt. Doch jeder Weg konnte der Falsche sein. Wenn alles gut lief, konnte er das Vertrauen dieses Typen erlangen und das war nicht die schlechteste Voraussetzung für ihn und Hillary. „Hm, wohl berechtigt, bevor Sie sich entscheiden. Kommen Sie, wir gehen in den Aufenthaltsraum und trinken etwas. Dort werde ich Ihnen auch gerne unser Glaubenskonzept erläutern.“ „Einverstanden.“ Sie begaben sich nach unten in einen Raum neben dem Speisesaal, der ebenfalls nur mit Kissen ausgelegt war. Der Adler schloss die Tür hinter ihnen und sofort wurde Hernandez bang ums Herz. Hoffentlich kam er hier wieder lebend raus. Nach allem, was er inzwischen wusste, scheute der Mensch vor nichts zurück. Zögernd setzte er sich in Nähe der Tür und wartete, was nun kam.
Geronimo setzte sich mit einem dünnen Lächeln ihm gegenüber. „Soll ich erst erzählen, oder wollen Sie erst fragen?“ zeigte sich dieser verbindlich. „Erst erzählen bitte.“ Worauf lief das hier bloß hinaus? „Also gut, aber ich muss Sie warnen. Alles was ich Ihnen nun sage, muss in diesen Mauern bleiben. Der Schutz unserer Gemeinschaft ist das oberste Gebot. Wenn ich Sie nun in unseren Glauben einweihe, droht ihnen noch keine Gefahr. Doch über unsere Rituale wird absolutes Stillschweigen bewahrt. Nur, wenn Sie sich entscheiden uns beizutreten, weihe ich Sie vollständig ein. Haben Sie das verstanden Miguel?“ Er nickte, oh ja, diese Drohung kam sehr wohl an.
„Lange vor unserer Zeit“, begann der Andere nun seinen Vortrag, „war die Religion der Mayas und Azteken in unserem Land weit verbreitet. Die Mayas waren der Ansicht, der Sitz der Seele und Lebenskraft sei das Blut des Menschen. Wir glauben an Madre Naturaleza und Xipe Totec, den Gott der Vegetation und Erneuerung. Damit uns die Götter gewogen bleiben, muss in regelmäßigen Abständen Blut fließen. Die Zeremonie, welcher Sie heute beiwohnten, diente dazu dieses Mädchen den Göttern vorzustellen.
Sie soll diejenige sein, die eine Art Liebesbeziehung mit unseren Göttern eingeht. Unsere Gebieterin. Sie benötigt aber auch einen Gebieter aus Fleisch und Blut. Gemeinsam regieren sie hier sozusagen stellvertretend auf Erden. Durch ihre Opferungen von Blut und Fruchtbarkeit, stehen wir mit den Göttern in Verbindung und das Gedeihen unseres Landes bleibt weiterhin gesichert.“
„Wenn ich das richtig verstehe, sagen Sie also, dass hier alles nur deshalb so gut wächst, weil Sie opfern?“ Der Adler nickte. „Aber wieso Menschenblut und nicht Tierblut?“ „Das ist eine sehr gute Frage.“ Er war sichtlich begeistert über sein Interesse. „Blut von Tieren ist nicht so effizient wie das von Menschen. Über die Jahre war festzustellen, dass fast die doppelte Menge an Tieren als an Menschen benötigt wurde, um das gleiche Ergebnis zu erzielen.“ „Das heißt, früher habt ihr Tiere geopfert?“
„Nein, wir nicht. Aber teilweise die alten Völker und andere Glaubensgemeinschaften. Doch für uns ist das nichts. Schließlich wollen wir ja ein gutes Leben. Nicht wahr?“ Erfreut über diese Feststellung klatschte er in die Hände. Der war tatsächlich geisteskrank und Hernandez dummerweise mit ihm in einem geschlossenen Raum. „Wie oft muss denn dann jemand bluten? Ich
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