Im Bann des Adlers
kam noch viel schlimmer. Wahrscheinlich aufgrund ihrer Jugend und der vereinfachten Weltansicht, die sie damals hatte, machte sie des Nachts, als seltsame Dinge im Haus vor sich gingen Augen und Ohren zu. Mehrmals sah sie auch Victor durch die Gänge oder den Garten schleichen und bei >Zeremonien< teilnehmen. Doch immer wieder redete sie sich ein, es sei schon nichts dabei.
Wohlweislich die Schreie der Menschen, die hysterischen Rufe der Mitglieder und die aufreizenden Trommeln, ignorierend. Bis heute weiß Mercedes nicht, warum Gott so gnädig mit ihr war und Victor sie nicht in das Sektentreiben mit einband, aber sie dankt ihm täglich dafür. Trotzdem durchlebte sie ihre eigene Hölle, weil ihr Freund sein >Recht< bei jeder sich bietenden Gelegenheit in Anspruch nahm. Entweder er passte sie nach den Unterrichtsstunden ab und drängte sie brutal in eine Ecke um sie dort von hinten zu nehmen. Oder er schlich sich nachts in ihr Zimmer und überwältigte sie im Schlaf. Bis sie wusste, was ihr geschah, war er auch schon auf oder in ihr. Die ständigen Vergewaltigungen verschüchterten sie enorm und mit der Zeit war sie dankbar, wenn Victor einige Zeit keine Notiz von ihr nahm.
Am Anfang wollte sie nicht zu ihren Eltern gehen weil sie ihnen den Rücken gekehrt hatte. Nun bewahrheiteten sich ihre Warnungen. Als sie sich dann nicht mehr zu helfen wusste, sagte sie Victor. „Ich ziehe wieder zu Hause ein. Mit dir möchte ich nichts mehr zu tun haben.“ Seine Antwort fiel anders als erwartet aus. „Das glaube ich nicht. Denn du liebst doch deine Eltern und willst bestimmt nicht, dass ihnen etwas zustößt. Ich kann jederzeit dafür sorgen, dass deine Eltern deine Rückkehr nicht mehr erleben.“ Damit war für ihn das Thema erledigt und Mercedes wusste, er würde diese Drohung wahr machen.
Kapitel 87
Jessica
Als wir das Büro von Magistrado Perron betraten, blieb mein Blick sofort an dem übervollen Schreibtisch hängen. Auf dem Tisch stapelten sich die Akten, rundherum lagen wild durcheinander Ordner und Zeitschriften. Hier herrschte konstruktives Chaos. Mein Eindruck festigte sich, dass es sich bei diesem Beamten um einen netten Kerl handelte. Er bot uns einen Platz auf der kleinen Sitzgruppe unmittelbar neben der Tür an und holte schnell einen Kaffee und ein paar Kekse.
Wieder zurück, tranken wir von dem scheußlich dünnen Gebräu und Perron legte sofort los mit seiner Befragung. „Ich bin gespannt, was sie mir zu berichten haben. Alle hier sind schon in heller Aufregung, weil niemand sie gefunden hat. Wie sind sie entkommen?“ Nach einem kurzen Blickwechsel, überließ ich Victor das Wort und dieser erzählte so kurz wie möglich, was geschehen war. Er schilderte meinen >Unfall< in der Wildfalle und die wundersame Errettung durch den Orden. Was danach alles passierte. Nicht jede Einzelheit, aber genug, dass sich die Gesichtszüge des Polizisten vor Unglauben verzogen. Zum Schluss wurde dem Mann noch schonungslos von Victor erklärt, warum ich verschleppt wurde und sterben sollte und weshalb er ebenfalls floh um mich zu retten. „Da haben Sie beide ja ganz schön was mitgemacht. Aber ich verspreche Ihnen jetzt kommt alles wieder ins Lot. Wir haben da nur ein kleines Problem!“ Alarmiert sahen wir zuerst uns und dann Perron an.
„Erzählen Sie, um was geht es denn?“, fragte ich schon Böses ahnend. „Wie Sie bereits selbst berichtet haben, hat Geronimo Sie sozusagen entsorgt Señora Korbmann um keine Zeugen zu haben. Ihm ist bei seiner Festnahme noch ein weiterer Geniestreich gelungen, er hat nämlich das Haus in die Luft gejagt. Sämtliche Mitglieder sind entweder schwer verletzt und nicht Vernahmefähig oder Tod. Was im Endeffekt dazu führte, dass wir ihrem Vater, “ damit wandt er sich Victor zu „nichts nachweisen konnten. Wir mussten ihn frei lassen.“ Entsetzen machte sich auf Victors Gesicht breit. „Aber wieso? Sie haben doch Beweise, ich meine, die Sekte und all das. Die Mitglieder haben doch bestimmt etwas sagen können.“ Reagierte er dann auch heftig. „Ja das stimmt schon alles, aber es war nicht genug um ihn in Untersuchungshaft zu halten. Das Gesetz besagt, dass man einen vermeintlichen Straftäter bis zur Verhandlung nur dann in Haft lassen darf, wenn Fluchtgefahr besteht. Wir haben leider nichts in der Hand, was diese Annahme bestätigt.“ Erklärte uns Magistrado Perron. Ich begriff sofort, was das für Victor und mich bedeutete. „Das heißt, wir sind nicht sicher. Wenn
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