Im Bann des Adlers
CD, mit leiser spanischer Musik ein und setzte sich wieder in die weichen Polster. Am meisten Leid tat ihr José. Sie wusste aus eigener Erfahrung, dass Victor eine Frau sowohl mit seinem Aussehen als auch mit seinem Charme blenden konnte. Er hatte aber auch grausame Züge an sich. Vielleicht nicht so ausgeprägt wie sein Vater, aber zu Vergewaltigung und Mord reichte es auf jeden Fall. Ob Jessica tatsächliche wusste, auf was für eine Sorte Mensch sie sich da eingelassen hatte? Nach Josés Beschreibung konnte sie sich das nicht vorstellen. Die junge Frau schien äußerst selbstbewusst und intelligent zu sein. Schwer zu glauben, dass sie ausgerechnet mit Victor durchbrannte.
Wie Mercedes selbst, musste Jessica ja einige Zeit mit der Sekte gelebt haben. Deshalb war es ganz und gar nicht ausgeschlossen, dass sie die blutrünstigen und todbringenden Rituale in denen wohl auch Victor eine Rolle gespielt hatte, mitbekam. Schon alleine aus diesem Grund war es eher möglich, dass sie eine Geisel und nicht freiwillig bei diesem Mann war. Angekommen an diesem Punkt ihrer Überlegungen, war Mercedes klar, sie musste schnell in ihre Vergangenheit abtauchen und nach möglichen Verbindungen forschen. Denn wenn Josés Freundin tatsächlich nicht aus freien Stücken mitgegangen war, dann schwebte sie in höchster Gefahr.
Pflichtschuldig schloss Mercedes deshalb die Augen und rief sich den Zeitpunkt in Erinnerung, an dem ihre Liebesgeschichte mit Victor begann.
Von dem Tag ab, an dem sie sich in dem kleinen Wäldchen getroffen hatten, verabredeten sie sich immer zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Außer, dass sie miteinander redeten und einige heiße Blicke tauschten, passierte jedoch nichts. Mercedes hatte Victor gesagt sie treffe sich bereits mit einem anderen Jungen. Doch er ließ nichts unversucht sie zu überreden ihm eine Chance zu geben. So ging es eine ganze Weile, bis Tomaso schließlich misstrauisch wurde, weil sie sich immer weniger um ihn bemühte. Eines Tages tauchte er, gerade als sie wieder mit Victor in dem Wäldchen saß, auf. Er war empört und stellte ihr ein Ultimatum. Sie solle sich bis zum nächsten Tag entscheiden, mit wem sie zusammen sein wolle. Obwohl sie bereits wusste, wie ihre Entscheidung ausfallen würde, stimmte sie zu und ließ sich alles noch einmal durch den Kopf gehen. Doch ihre Gefühle für Victor waren schon viel zu stark. So kam es, dass Tomaso am nächsten Abend tief enttäuscht vor ihrer Tür stand, als sie ihm mitteilte, sie wollte sich nicht mehr mit ihm treffen.
Erleichtert begab Mercedes sich kurz darauf an ihren geheimen Treffpunkt und fiel Victor glücklich in die Arme. Als ihre Eltern davon erfuhren, hagelte es Vorwürfe und Ablehnung Victor gegenüber. Doch wie man eben als junges Mädchen so ist, ließ sie sich nicht beirren und die Liebesgeschichte zwischen den beiden frisch verliebten entwickelte sich immer weiter.
Zu sehr auf Wolke sieben schwebend, bemerkte Mercedes wohl auch deshalb zuerst nicht, dass Victor bald begann immer weniger Zeit für sie zu haben. Als Grund führte er jedes Mal wichtige Arbeiten im Haus an. Auf ihre Nachfrage erzählte er ihr immer, er müsse renovieren, oder helfen den Garten zu bestellen. Sie wurde ungeduldig, und als sie sich einmal richtig heftig stritten, trat eines Nachmittages Geronimo an Mercedes heran und fragte sie, ob sie nicht im Haus helfen wolle. Geschmeichelt von seinem Angebot dort Schüler zu unterrichten und dadurch mehr Zeit mit Victor verbringen zu können, sagte sie dann auch sofort zu. Ihre Eltern tobten und verboten ihr jeden weiteren Umgang mit diesen Menschen. Was jedoch nur dazu führte, dass sie die wenige Kleidung die sie besaß, in eine Tasche packte und auszog. Victor staunte nicht schlecht, als sie vor der Tür stand mit den Worten. „Ich halte es zu Hause nicht mehr aus, kann ich bitte hier wohnen?“ Er ließ sie ein und wies ihr ein Zimmer im oberen Stock zu. Es war nichts Besonderes aber verliebt, wie sie nun einmal war, beschloss sie alles hinzunehmen um in der Nähe ihres Freundes sein zu können.
Dieser veränderte sich jedoch sehr zu seinem Nachteil, sobald sie eingezogen war. Immer mehr ließ er Mercedes spüren, dass sie für ihn nichts weiter sei, als ein kleiner Zeitvertreib. Doch genau das wollte sie nicht wahr haben, er war doch ihre große Liebe. Der erste richtige Mann in ihrem Leben, derjenige der sie entjungferte. So etwas Kostbares konnte sie wohl kaum an so ein Ekel verschenkt haben. Aber es
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