Im Bann des Adlers
Vergessen Sie nicht, dass Sie unsere Hauptzeugen sind. Ihr Leben ist für uns von enormer Bedeutung.“
Mir passte es genauso wenig wie Victor, wieder durch die Gegend geschoben zu werden. Doch ich verstand auch die Argumentation von Perron. Wenn einer von uns, oder wir beide starben, dann konnte man dem Sektenführer womöglich wieder nichts nachweisen. Mit unserer Aussage konnte alles, was überlebende Mitglieder der Sekte zu Protokoll gaben, untermauert werden. Deshalb fragte ich resigniert. „Wann soll es losgehen und wohin?“
„Sie fliegen heute Nachmittag. Das Ziel erfahren Sie aus Sicherheitsgründen erst am Flughafen. Seien Sie unbesorgt, es wird schon alles glattgehen. Ich habe Ihnen ein aufladbares Handy besorgt, damit wir Kontakt halten können. Halten Sie sich gegen 15 Uhr bereit, ich komme Sie dann abholen. Adiós!“ Der Beamte erhob sich grüßend und verließ die Wohnung. Wir schwiegen, es gab nichts zu reden. Keiner von uns beiden konnte sagen, wie lange sich die Sache noch hinzog. Ich fühlte mich wie eine Schachfigur in einem Spiel ums Überleben. Natürlich wollte ich Aussagen und diesen Mann hinter Gitter bringen, doch wer weiß, wann sie ihn fanden.
Wie oft hatte man schon gehört, dass solche Aktionen sich über Jahre hinzogen. Sollte meine Familie so lange glauben ich sei tot? Was wurde aus José und mir? Wortlos stand ich auf, ging ins Schlafzimmer und sperrte ab. Ich konnte Victor in diesem Moment weder sehen noch hören. Er konnte nichts für diese Situation, das wusste ich, trotzdem machte sein Anblick mich wütend.
Kapitel 90
Mercedes
Bei Hernandez Wohnung angekommen, rief Mercedes gleich ihren Freund an und bat ihn zu kommen. Er versprach, sich sofort auf den Weg zu machen. Bis er bei ihr eintraf, schrieb sie alles, woran sie sich erinnern konnte, nieder. Unter keinen Umständen, wollte sie etwas vergessen, denn mit einem Mal war ihr klar, wie alles zusammenhing und wie blind sie all die Jahre gewesen war. Bis der Schlüssel sich im Türschloss drehte, hatte die junge Frau zwei große Blockseiten eng beschrieben.
Schnell legte sie ihr Schreibzeug beiseite und flog erleichtert Hernandez in die Arme. „Jetzt wird alles wieder gut!“ Begrüßte sie ihn freudestrahlend und ihre Lippen verschmolzen zu einem innigen Kuss. „Na das müssen ja wundervolle Erkenntnisse sein mi guapa.“ Antwortete er noch atemlos. „Ich konnte es selbst kaum glauben. Aber ich wäre auch nie darauf gekommen, schließlich kenne ich ihn schon mein Leben lang.“ Erwiderte sie aufgeregt.
„Von wem sprichst du denn?“ hinterfragte Hernandez. Seine Freundin nahm sich die Notizen zur Hand, welche sie während der Wartezeit gemacht hatte, und erzählte ihm ihre Geschichte.
An dem Tag, als die Sekte in Matavenero unterging, wurde sie mit einem Brief von Geronimo, den ihr Victor gegeben hatte, nach Foncebadon geschickt. Der Mann den sie aufsuchte, nahm den Brief an sich, las ihn kurz durch und sagte ihr folgendes. „Sag Geronimo, er kann sich auf mich verlassen. Es ist etwas im Gange und er soll auf die Hinweise achten. Kannst du dir das Merken Mädchen?“ fragte er dann noch unwirsch. Mercedes wiederholte alles noch einmal folgsam und ging wieder zurück um die Botschaft zu überbringen. Erst am heutigen Tag war ihr klar geworden, was die Worte des Mannes bedeuteten. Geronimo wollte wahrscheinlich wissen, ob die Sekte sicher sei und mit dieser Antwort wurde er gewarnt. Gleichzeitig musste der Sektenführer wohl nachgefragt haben, ob der Mann ihm helfen würde unterzutauchen. Denn wer sonst, hätte damals und auch jetzt noch die Möglichkeit gehabt, dafür zu sorgen, dass Victor und Geronimo unbehelligt fliehen konnten?
Nur so eine wichtige und bedeutende Persönlichkeit wie er. Damals als alles auseinanderbrach, war er derjenige, der den Leuten half, in anderen Dörfern wieder Fuß zu fassen. Er ließ es zu, dass Matavenero nahezu ausstarb und niemand mehr etwas mit der Vergangenheit zu tun haben wollte. Wegen ihm passierte damals nichts, als die Anzeige aufgegeben wurde und somit hatte jeder Angst zurückzukehren. Zu guter Letzt, nachdem auch noch ihre Eltern ums Leben gekommen waren, zog er sich immer mehr zurück, mit den Worten. „Es tut mir wirklich leid, aber ich kann nichts für dich tun. Mir wurde mitgeteilt, dass ich versetzt werde, ihr müsst wohl in Zukunft ohne mich zurechtkommen.“ Einen Monat später, stand das Haus in dem er all die Jahre mit seiner Familie gelebt hat leer. Er hatte
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