Im Bann des Adlers
verschlagen und erklärte. „Wir tränken die Tücher mit Blut und verbrennen sie anschließend um Kontakt mit Mutter Erde aufnehmen zu können. Blut muss immer fließen, damit die Verbindung nicht abreißt, weißt du?“ Er entfernte sich in Richtung Feuer. Alle machten ihm Platz, und als er direkt vor den heißen Flammen stand, drehte er sich um, sah mit sichtlicher Freude in die Runde und rief. „Möge die Jagd beginnen!“
Ein Tumult brach los. Um mich herum geriet alles in Bewegung und ich stolperte, nur noch von links nach rechts, ohne wirklich etwas zu sehen. Mir war schwindlig und übel aber ich konnte mich nirgends anhalten. Endlich bekam ich hinter mir etwas hartes Langes zu fassen und zog mich in dessen Richtung rückwärts. Zu spät bemerkte ich, dass ich mich genau vor dem Opfertisch befand. Blut, ich hatte ihr Blut an meinen Händen. Warum kam denn um Himmels willen niemand, um mich zu retten? Das konnte doch alles gar nicht wahr sein, das durfte gar nicht geschehen. Automatisch drehte ich den Kopf und sah dem Mädchen ins selig lächelnde Gesicht. Sie atmete nicht mehr, was für sie wohl ein Segen war. Sie sah trotz des grausamen Rituals glücklich und zufrieden aus. Das sollte ich wohl als Trost ansehen, konnte es aber nicht. Victor kniete immer noch über ihr, das Gesicht verhüllt und rührte sich nicht. „Schrei ihn an oder bring ihn gleich um, so wie er sie umgebracht hat“, sagte mir mein Verstand.
Aber mein Gefühl war eher, dass er genauso um sie trauerte wie ich. Verzweifelt klammerte ich mich an den Felsen und versuchte das Gefühlschaos und alles, was geschah zu verstehen, doch es gelang mir nicht ein einziger klarer Gedanke.
Inzwischen hatte sich die Menge gelichtet und die Ordensmitglieder rannten mit lautem Gesang zu einer Weide etwas abseits, die ich bisher noch nicht bemerkt hatte. Dort grasten friedlich prächtige weiße Pferde, die noch nicht ahnten, welches Schicksal ihnen drohte. Der erste der das Gatter erreichte, sprang darüber die anderen Mitglieder folgten in kurzem Abstand. Wahllos rannten sie zwischen den Tieren umher, bis sie eines in die Enge getrieben hatten. Nun kam ein Mann und trieb es von hinten Richtung Gatter, welches just in dem Moment als das Pferd sich davor aufbäumte, aufgerissen wurde, um es hinauszulassen. Doch es bekam nicht die Freiheit, sondern den Tod geschenkt. Schnell stürzten sich mehrere Männer auf das galoppierende Tier und hieben ihm gezielt lange Messer in die Flanken. Immer und immer wieder wurde es während seines Fluchtversuches getroffen, das Fell tränkte sich rot. Schon sehr geschwächt wagte der Schimmel noch einen Versuch und bäumte sich auf. Vermeintlich todesmutig stellte sich ein Ordensbruder direkt unter die Brust des Tieres, und als es die Hufe senkte, rammte er begünstigt durch den Aufprall das lange Messer tief hinein. Ein gurgelndes Geräusch, ein leichtes Wiehern und Schnauben, dann Stille. Mir liefen Tränen über die Wangen, doch ich bemerkte es kaum. Was sollte diese Grausamkeit, warum nur töteten sie auf diese Art und Weise? Sie nahmen wie bei Nadine Tücher und tränkten diese mit Blut.
Gleichzeitig machten sich schon einige daran das Pferd zu häuten und zu zerteilen, wie es schien, in Portionen. Mir drehte sich der Magen endgültig um und ich übergab mich direkt neben dem Ehrenmal. Es war mir egal. Als ich wieder aufblickte, hatte Victor endlich die Maske abgenommen und ich erschrak. Er schien um Jahre gealtert, und wie ich schon vermutet hatte, lag echte Trauer in seinem Blick. Ohne ein Wort stieg er herab, bedeckte das Mädchen mit einem weißen Laken und nahm mich bei der Hand.
Vielleicht hätte ich vor diesem Mörder flüchten sollen. In dieser Situation war er trotzdem für mich, durch den Tod der Kleinen, mein einziger Verbündeter. Er zog mich hinter den großen Laubbaum, und somit etwas abseits vom Ort des Geschehens. Ich klapperte am ganzen Körper, alles drehte sich und ich hatte immer noch das Gefühl in einem bösen Traum, oder schlimmer, gefangen zu sein. Seine Stimme zitterte, als er endlich sprach. „Verurteile mich bitte nicht! Mir blieb keine Wahl und sie wusste von Anfang an, welches Schicksal ihr bestimmt war. Sie wollte es so. Sobald es geht, werde ich dir alles erklären. Aber für heute ist wichtig, dass wir uns beide keine Fehler erlauben. Unser beider Leben hängt davon ab. Tu einfach, was von dir verlangt wird. Ich bitte dich inständig darum!“ Flehte er mich an und ich merkte, wie
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