Im Bann des Adlers
wahren Hintergrund, zu ahnen.
Die weiß gekleideten Frauen bewegten sich inzwischen anmutig zu den Klängen und wäre ich vor Verzweiflung nicht beinahe gestorben, hätte ich durchaus Gefallen an diesem Schauspiel gefunden. Meine innere Stimme sagte mir jedoch, dass so ein Lied hier nicht ohne Grund gesungen wurde. „Was passiert denn jetzt?“, flüsterte ich Victor deshalb leise zu. „Du musst das Blut der Pferde trinken und von ihnen essen, um die Verbindung zu Mutter Erde zu festigen. Der Orden glaubt, wenn eine neu Geweihte dies tut, ist die Ernte noch reicher“. „Das werde ich nicht tun, lieber bringen sie mich um!“ zischte ich ihm empört zu. „Das werden sie auch verlass dich darauf meine Liebe. Entweder du spielst jetzt hier mit, oder deine letzten Minuten brechen an. Sie sind im Blutrausch, je mehr Opfer umso besser.
Also besser du fügst dich, oder du hängst gleich ausgeblutet an diesem Baum.“
Es war eindeutig zu erkennen, dass Victor es wirklich todernst meinte. Ich hatte also wieder einmal keine Wahl. Konnte es eigentlich noch beschissener kommen?
Inzwischen war das Lied zu Ende und die jungen Frauen tauchten plötzlich überall mit Kelchen und dem gebratenen Fleisch auf. Mir drehte sich der Magen um. Ich schluckte meine Übelkeit runter und harrte der Dinge, die da Wohl oder Übel auf mich zukamen. „Wenn du gleich serviert bekommst, musst du den Pokal heben und laut sagen, wir ehren dich Sangre, dann daraus trinken und mit den Worten >mein Gebieter< an mich weiterreichen.“ Ungläubig starrte ich Victor an, hätte er nicht so ernst ausgesehen, wäre ich tatsächlich in Lachen ausgebrochen.
Mein Gebieter? In welchem Jahrhundert waren die denn stehen geblieben? Doch als der Kelch dann tatsächlich vor meinem Gesicht erschien, war mir nicht nach Lachen zumute. Ich tat wie mir geheißen, sagte laut meinen Spruch auf, nachdem sich Stille über die Gruppe gesenkt hatte, trank einen mini Schluck und reichte weiter an >meinen Gebieter<. Das Blut schmeckte erst warm und dann seltsam metallisch auf der Zunge. Beim Schlucken bremste es ziemlich nach. Alles in allem hatte ich es mit einem Würgen überlebt.
Das Gefäß wurde uns wieder abgenommen und das Fleisch kam. Wieder beugte er sich zu mir und sagte nun müsse ich laut verkünden. „Wir ehren dich la Madre Naturaleza“, und nachdem ich gegessen hatte, natürlich an meinen Gebieter weiterreichen. Ich schaltete alles aus und dachte an ein gutes Steak. So gelang es mir tatsächlich, ein Stück Pferd zu essen. Zu meinem Erstaunen war das Fleisch zart und schmackhaft, wenn auch mit nichts vergleichbar, was ich bisher gegessen hatte. So, auch erledigt. Nun war mein Part für diesen Abend hoffentlich vorbei und mit etwas Glück, ich morgen früh schon weg.
„Jetzt zum schwierigen Teil des Abends.“ Er lächelte mich schief an. „Was?“, das Entsetzen in meinen Augen, belustigte ihn noch mehr. „Ich habe dir doch schon gesagt, ich sorge dafür, dass alles glattgeht.“ „Und was bedeutet das nun genau für mich? Muss ich mir Vampirzähne wachsen lassen, oder soll ich jemanden erstechen, oder bringst du mich um, so wie Nadine?“ Schlagartig wich das Grinsen aus seinem Gesicht. Ich hatte mit meinen barschen Worten um mich geschlagen und ihn mehr verletzt, als ich wollte. Aber da war tatsächlich auch Angst die Nachfolgerin des Mädchens zu werden und sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass ich mit meinen Vermutungen nicht ganz Unrecht hatte. „Nein“, sagte er in schneidendem Ton, „du wirst nicht diejenige sein die umgebracht wird. Aber sterben muss noch jemand und du wirst es tun, mit mir an deiner Seite.“ Ich schnappte nach Luft, mir war schwindlig, heiß und kalt. „Wer?“ presste ich heraus. „Kennst du nicht.“ War die knappe Antwort.
Gerade, als ich fragen wollte, wann und wieso, erschollen wieder um uns herum Trommeln und Musik. Die Trommeln wurden in Sekundenschnelle lauter und so hätte ich brüllen müssen, um überhaupt Gehör zu finden. Instinktiv hielt ich mir die Ohren zu, aber meine Hände wurden mir wieder heruntergerissen und der Mann, der gerade schon einmal getötet hatte, zerrte mich in die Mitte des Hains zum Feuer. In einem großen Kreis versammelten sich alle Mitglieder des Ordens um uns herum. Natürlich, wie sollte es auch anders sein, löste sich Geronimo aus der Menge und verkündete mit tönender Stimme. „Wir alle haben uns heute hier versammelt um unsere Göttin zu ehren. Wie es der Brauch
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