Im Bann des Adlers
jedoch sofort von Überraschung abgelöst. Schneller als ich hätte wahrnehmen können, war die gebogene Klinge geführt von Geronimo persönlich, in seinen Brustkorb geglitten und schlitzte den Bauch von oben bis unten auf. Schmerz verdunkelte die grünen Augen des Jünglings und bald brach sich das Licht ganz. Er blutete langsam aus in die bereits mit meinem Blut gefüllte Schale. Es war ein Bild des Grauens. Gedärme hingen heraus und ein rotes Rinnsal lief stetig an seinem Körper entlang. Der Stock, an den er gefesselt war, sorgte dafür, dass er weiterhin aufrecht blieb.
So furchtbar der Anblick auch war, stieg gleichzeitig in mir eine unbändige Freude auf, dass nicht ich dort hing, sondern dieser unbekannte Mensch. Doch die Opferung schien noch nicht vollendet. Ständig umkreiste Geronimo den toten Körper murmelte vor sich hin, und machte irgendwelche Zeichen. Mit einem etwas kleineren Messer, welches ihm von Consuela gereicht wurde, fuhr er mit gezielten Schnitten an der Seite des Gesichtes entlang. Ehe ich realisieren konnte, was da wirklich geschah, zog er die Gesichtshaut ab. Nahm diese und gab sie an Consuela weiter, die nahm sie grinsend an sich und legte sie blutig wie sie war, über ihr eigenes Gesicht.
Da erbrach ich mich geräuschvoll. Wäre mein Gehirn durch das Crack nicht so zugenebelt gewesen, ich hätte am laufenden Band geschrien. So nahm ich die ganze Szenerie in mich auf und durchlebte es als eine Art unwirklichen Albtraum.
Die Frau tanzte jaulend zwischen den beiden Statuen hin und her. Sie nahm die Silberschale und beschmierte abwechselnd beide Götzen mit dem nun gemischten Blut. Tücher wurden in den Körper des Leichnams gesteckt und mit Blut getränkt. Danach auf den taufsteinartigen Altar gelegt und angezündet. Sofort breitete sich unglaubliche Hitze in dem kleinen Raum aus. Das abgelöste Gesicht wurde nun auf Xipe Totecs Antlitz gelegt. Alle drei ließen sich neben mir in einer Reihe nieder, um zu beten. Dieses Mal in Spanisch.
Das Gebet bat um Regen für eine reiche Ernte. So wie das Blut geflossen war, sollte das Wasser des Himmels auf die Erde fließen und den Boden tränken. Noch ein paar weitere Bitten wurden eingeschlossen, doch ich betrachtete in der Zwischenzeit den abgeschlachteten Mann. Wie bei Vieh hingen ihm die Gedärme aus dem Bauchraum. „Armer Kerl“, war mein letzter Gedanke, dann wurde ich ohnmächtig.
Kapitel 42
José
Die beiden Freunde waren sich einig den Eltern von Jessica erst einmal nichts davon zu erzählen, dass Hernandez glaubte, ihre Tochter gesehen zu haben. Sie wollten keine falschen Hoffnungen wecken. Außerdem gestaltete sich das Verhältnis zwischen ihnen und José im Moment eher schwierig. Elisabeth und Walther zogen es vor, in der Wohnung ihrer Tochter zu schlafen. Mit jedem vergehenden Tag, wurde aber auch die stumme Anklage gegen ihn belastender. Inzwischen war sich José schon gar nicht mehr so sicher, ob die beiden wirklich noch glaubten, er habe mit dem Mord nichts zu tun gehabt. Das traf ihn sehr.
Mitten in seine Grübeleien, klingelte das Telefon. „Hey, wie geht´s dir, konntest du ein bisschen schlafen?“ Fragte sein Freund mit matter Stimme am anderen Ende der Leitung. „Machst du Witze?“ kam von ihm die Gegenfrage. „Hast du schon etwas von unseren beiden Lieblingspolizisten gehört?“ „Ja. Die Suche nach den Beiden wurde ausgedehnt und es gibt noch keine neuen Erkenntnisse. Dieser Besitzer lässt sich anscheinend nicht ganz so einfach herausfinden.“ Seufzte Hernandez. Sie beschlossen, am frühen Nachmittag noch einmal zur Wache zu gehen falls sie bis dahin nichts gehört hatten.
Mehr schlecht als recht konnte José sich auf die Komissionslisten in seinem kleinen aber exklusiven Antiquitäten Geschäft konzentrieren. Es wäre keine Schande gewesen, wenn er unter diesen Umständen nicht gearbeitet hätte. Aber er wollte Enrique auch nicht überlasten. Dieser hatte schon so viele Sonderschichten für ihn übernommen und jeder Mensch brauchte einmal eine Pause. Außerdem hoffte er, sich für ein paar Stunden mit Arbeit ablenken zu können. Sein Vertreter war clever genug, ihn nicht mit Fragen zu bestürmen. Sie unterhielten sich über das Tagesgeschäft, die Einnahmen und ob José oder sein Vertreter die nächste Antiquitätenmesse besuchen würde. Für diese Normalität war Lorca extrem dankbar. Am Ende des Vormittages nahm er sich einige Kataloge zum Durcharbeiten mit nach Hause und fühlte sich tatsächlich
Weitere Kostenlose Bücher