Im Bann des blauen Feuers
als er Ash erblickte, ein ohrenbetäubendes Brüllen aus. Offenbar hatte er nicht mit einer Störung gerechnet und war jetzt ziemlich aufgebracht darüber.
Genau das hatte Ash erreichen wollen. Mit einem wütenden Zischen stürzte der Telych auf ihn zu. Seine schweren Schritte ließen den Marmorboden erzittern, die winzigen schwarzen Augen glitzerten bösartig. Es war nicht zu übersehen, dass die Kreatur absolut sicher war, ein leichtes Opfer vor sich zu haben. Eine Fehleinschätzung, die sie nur Sekunden später bereute, als Ash ihr mit einer geschmeidigen Drehung das Messer bis zum Heft in die Seite stieß.
Nur wenige Stellen eines Telych waren nicht von einer nahezu undurchdringlichen Panzerhülle überzogen, doch Ash kannte sie alle. Er besaß mehr Erfahrung im Kampf gegen Dämonen als jeder andere Angelus. Und auch wenn er nicht mehr über seine alten Kräfte verfügte, so konnte er sich doch auf seine übermenschliche Schnelligkeit, seine Stärke und seine Instinkte verlassen.
Die Ausgeburt der Hölle kreischte auf. Ashs Messerattacke konnte sie nicht mehr geschmerzt haben als ein Insektenstich. Doch der Telych war nicht daran gewöhnt, selbst verletzt zu werden. Umso größer war sein Zorn auf die Person, die sich ihm in den Weg zu stellen wagte.
Blind vor Wut stürzte es sich erneut auf Ash, der genau diese Reaktion hatte heraufbeschwören wollen. Um einen Telych zu vernichten, gab es nur einen einzigen Weg: Man musste das schwarze Herz der Kreatur durchbohren, das sich anders als bei den meisten Lebewesen nicht in der Brust, sondern tiefer, etwa auf Höhe des menschlichen Bauchnabels befand. Hier gab es eine winzige Lücke im Chitinpanzer des Dämons, kaum breiter als die Klinge eines Messers.
Ashs Sinne waren bis aufs Äußerste gespannt. Er musste beim ersten Versuch ganz genau treffen, denn eines war klar: Eine zweite Gelegenheit würde es nicht geben.
Und so duckte er sich unter dem gewaltigen Hieb einer Pranke des Telych weg, der stattdessen die Front eines der großen Stahlschränke mit Spinden demolierte. Er warf sich zu Boden, rutschte zwischen den Beinen des Monsters hindurch, zielte, stieß zu – und traf.
Das zugleich überraschte und schmerzerfüllte Aufheulen des Telychs, ließ die Wände des Gebäudes erzittern. In einem letzten Aufbäumen warf er sich herum, um seinen Peiniger mit sich in den Tod zu reißen.
Ash erkannte die Gefahr, doch er hatte keine Chance, rechtzeitig zu reagieren. Zwar gelang es ihm, sich geistesgegenwärtig zur Seite zu rollen, um nicht vom tonnenschweren Körper des Dämons zermalmt zu werden, doch eine der rasiermesserscharfen Klauen des Telych grub sich tief in seinen Unterschenkel, zerschnitt Fleisch und Sehnen, ehe sie auf der anderen Seite wieder austrat.
Der Schmerz war unbeschreiblich.
Als Kämpfer im Namen Gottes hatte er zahlreiche Verletzungen davongetragen, einige davon waren durchaus schmerzhaft gewesen. Doch als Seraph verfügte er über Selbstheilungskräfte, die oberflächliche Wunden innerhalb weniger Minuten schlossen und selbst schwere Verletzungen und Brüche nach ein paar Stunden vergessen sein ließen.
Doch das war vor seiner Verbannung gewesen.
Heute erfuhr er zum ersten Mal in seinem ganzen Dasein, was Schmerz wirklich bedeutete. Ihm war eiskalt, nur sein rechtes Bein schien in Feuer getaucht zu sein. Der Telych rührte sich nicht mehr – was Ashs Glück war, denn in seinem Zustand hätte er sich nicht mehr gegen einen weiteren Angriff des Ungetüms verteidigen können.
Als er die Klaue mit einem Ruck aus der Wunde in seinem Bein zog, schwanden ihm beinahe die Sinne. Ein qualvoller Schrei entfuhr ihm, und die Welt um ihn herum schien in schwarzem Nebel zu versinken. Doch irgendwie schaffte er es, bei Bewusstsein zu bleiben. Und etwas später – er wusste nicht, ob Sekunden, Minuten oder Stunden vergangen waren – ließ das Hämmern hinter seinen Schläfen so weit nach, dass er wieder einigermaßen klar denken konnte.
Und sein erster Gedanke galt Céleste …
6. KAPITEL
Reglos lag sie ein paar Meter entfernt am Boden – die Augen geöffnet, das Gesicht leichenblass. Ashs Herz krampfte sich zusammen. Hatte das Gift des Telych sie getötet, statt sie zu betäuben?
Da er es nicht wagte, sein Bein jetzt schon wieder zu belasten, schleppte er sich nur mit der Kraft seiner Arme zu ihr herüber. Nach kurzem Suchen entdeckte er den schwarzen Dorn, der direkt unterhalb der rechten Schulter in ihrem Fleisch steckte. Vorsichtig, um
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