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Im Bann des Feuers Drachen2

Im Bann des Feuers Drachen2

Titel: Im Bann des Feuers Drachen2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
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weitergibt, begeht ein Fehlverhalten, nicht diejenige, die ihn hört.«
    Großmutter schwieg, während sie nach einer angemessenen Erwiderung suchte.
    »Gäbe es keine neugierigen Ohren, gäbe es auch keinen Klatsch, sondern nur Gemurmel in der Luft«, erklärte sie schließlich. »Also war es dein Fehlverhalten.«
    »Wenn man dein Argument weiter spinnt, hast du ebenfalls ein Fehlverhalten begangen, Großmutter«, konterte Misutvia. »Denn wenn die Ohren, die den Klatsch einer anderen hören, sich eines Fehlverhaltens schuldig machen, dann auch die Augen, die ein solches Fehlverhalten beobachten. Und du, Großmutter, als unsere unangefochtene und anerkannte Älteste, hast kein Wort gesagt, um unser Fehlverhalten von vorhin, als wir unsere Blasen in die Farbtöpfe leerten, zu unterbinden. Also erkläre ich dich hiermit verantwortlich für das Fehlverhalten von uns allen und werde die Pflicht auf mich nehmen, dieses ungeheuerliche Fehlverhalten zu melden.«
    Tiefstes Schweigen folgte ihren Worten, als wir anderen allmählich begriffen, welch ein Schlangennest Misutvia da gerade aufgescheucht hatte.
    Wer war verantwortlich für ein Fehlverhalten – der Zeuge, der es hätte verhindern können, oder der, der es beging? Beide? Aber bis zu welchem Maß? Wenn die Schuldige nun gar nicht wusste, dass sie gegen irgendein Gesetz verstieß, der Zeuge dagegen sehr wohl?
    Mein zäher Verstand rang mit diesen Fragen. Gereizt sprach ich, ohne nachzudenken, und leckte mir über die spröden Lippen, nach Wasser gierend.
    »Es spielt keine Rolle, wer das Fehlverhalten begeht und wer es bezeugt, wenn niemand da ist, dem es gemeldet werden kann.«
    Ich zog die Schultern hoch, überrascht von meinem Mut, wartete auf eine körperlose Stimme aus dem Dunkel, die meine Äußerung als furchteinflößend bewertete und daher zu einem Fehlverhalten erklärte. Aus der Richtung, in der Großmutter saß wie ein geisterhaftes Gespenst, hörte ich ein tiefes Einatmen, als sie Luft und Kraft für genau solch eine Erklärung sammelte.
    Doch Misutvia sprach, bevor Großmutter auch nur ein Wort sagen konnte.
    »Wir kehren alle in unsere Nischen zurück und schlafen. Es ist sinnlos, hier länger herumzusitzen.« Misutvia klang entschlossen. »Wenn morgen früh ebenfalls niemand erscheint, werden wir Najis Vorschlag folgen. Wir werden die beiden Wachen vor der Tür um Wasser bitten.«
    »Wir brauchen es«, krächzte ich heiser. Der Durst trieb die anderen Frauen dazu, fieberhaft murmelnd zuzustimmen. Wegen des Gifts in unseren Adern war Durst ein ständiger, unerwünschter Begleiter. Uns alle verlangte nach Wasser, unablässig. Dass wir heute ohne Wasser hatten auskommen müssen, hatte uns allen Kopfschmerzen bereitet und machte uns rastlos und gereizt. »Wir werden nicht lange ohne Wasser überleben.«
    »Nein«, stimmte Misutvia mir zu. »Das werden wir nicht.«
     
    Wegen dieser unerklärlichen und unerwarteten Änderung in unserem Tagesablauf kam mir die dichte, grabähnliche Schwärze der Nacht plötzlich noch undurchdringlicher, noch kälter vor, voll lauernder Bedrohung. Ich schleppte mich zu Misutvias Nische und kroch zu ihr.
    Ihr knochiger Körper und ihre eisige Haut boten nur wenig Trost, aber ich suchte jetzt auch keinen physischen Beistand, sondern ich suchte Trost im Geiste.
    »Die anderen Frauen aus der Viagand«, flüsterte ich ihr ins Ohr, »die kürzlich in den Drachenställen und den Erholungsnischen waren … Ich frage mich, ob sie auch so geprüft wurden.«
    »Sei nicht so sensationsgierig!«, fuhr Misutvia mich an.
    Ich erschauderte und schwieg. Allein an ihrer Gereiztheit merkte ich, dass auch sie von dieser plötzlichen Veränderung der Dinge beunruhigt war.
    Wir fanden beide nur schwer Schlaf, und als ich schließlich eindämmerte, träumte ich unablässig von dem Geist, der sich in meinem Inneren zu befreien suchte.
    Kurz vor Morgengrauen konnte ich weder die Vision noch die sie begleitenden Gefühle länger ertragen. Ich kroch aus Misutvias Nische und kehrte in meine zurück. In dem schwachen Licht kam ich an den grauen Schatten anderer vorbei, die ebenfalls in ihre Grotten zurückkehrten. Wir sahen uns nicht an, gemäß unserer stillschweigenden Vereinbarung, dass wir immer so taten, als würden wir uns nie sehen. Kurz darauf krochen wir aus unseren Nischen.
    Mein Durst war überwältigend. Ich konnte kaum schlucken. Meine Augen waren vollkommen verklebt. Wir warteten, schwankend, auf die Erste, die ein Fehlverhalten einer

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