Im Bann des Feuers Drachen2
erglühte der Geist, versuchte sich zusammenzusetzen. Es fühlte sich an, als würden heiße Wachstropfen in meinen Adern versuchen, sich zu vereinen, würden daran aber von kaltem Wasser gehindert. Der Geist war erschöpft, hatte noch nicht genügend Zeit gehabt, seine alte Stärke wiederzugewinnen.
»Mutter, rette mich!«
»Das ist sie!«, schrie eine der Silhouetten vor dem Licht der Fackel; im nächsten Moment setzten sie sich beide in Bewegung, in meine Richtung. Ich blickte zum anderen Ende des Korridors zurück. Ein als Akolyth verkleideter Wächter tauchte aus der Dunkelheit auf. Er blieb stehen und hob die Arme, spreizte die Ellbogen.
Ich würde gleich von seinem Speer aufgespießt werden.
»Mutter!«, schrie ich erneut. Metall schoss durch die Luft wie ein Blitz; ein Dolch, der von einer der beiden Silhouetten geschleudert worden war. Er prallte von der linken Schulter des Wächters ab, als der seinen Speer warf; er torkelte wie trunken durch die Luft und landete eine Handbreit vor meinem Körper auf dem Boden.
Der Geruch von parfümiertem Öl wehte an mir vorbei, als die in den Umhang gekleidete Gestalt sich auf den Wächter stürzte und ihn in einen Kampf verwickelte.
Die zweite Silhouette hatte mich derweil erreicht. Ein vertrautes Gesicht starrte mich an. Ich wich ungläubig zurück.
»Du hast uns ganz schön auf Trab gehalten, Rishi-Balg«, gackerte der Drachenmeister.
Mein Blick zuckte zu den kämpfenden Gestalten. Das Licht der Fackel schimmerte auf blondem Haar. Kratt.
»Nein«, stieß ich verdattert hervor. »Nein!«
Sehnige Finger gruben sich schmerzhaft in meinen Arm und zerrten mich hoch. »Wir verschwinden jetzt, heho!«, erklärte der Drachenmeister.
»Aber Malaban Bri. Wo ist Malaban?«
Ein dumpfes Geräusch. Der Wächter war zu Boden gestürzt. Kratt beugte sich über ihn, Stahl blitzte in seiner Hand auf. Mit einem Grunzen richtete sich Kratt auf, wischte den blutigen Dolch an seinem Umhang ab und kam zu uns.
»Zu den Drachen«, knurrte er, gönnte mir nur einen flüchtigen Blick.
»Wartet!«, keuchte ich. »Wir können Misutvia nicht hier lassen.«
»Halt den Mund, Rishi-Brut!«, schnarrte Kratt. Ich glaubte schon, er würde mich schlagen.
»Sie ist Malabans Schwester!«, rief ich. »Von Caranku Bri von Lireh!«
Kratt hielt inne, und ein Muskel in seiner Wange zuckte. »Wir haben die Dirwalan Babu«, zischte der Drachenmeister, nannte mich in dem uralten Dialekt Malacars die Tochter des Himmelswächters, und hob meinen Arm an, als wollte er es beweisen. »Wir verschwinden sofort!«
Kratt ignorierte ihn, während er mich mit einem scharfen Blick seiner vom Kampf glühenden blauen Augen durchbohrte. »Du bist ganz sicher, dass die Frau von Caranku Bri stammt?«
»Sie war mit mir gefangen«, antwortete ich atemlos. »Wir haben miteinander geredet. Sie liegt am Ende des Korridors, bewusstlos.«
»Wir verschwenden Zeit«, knurrte der Drachenmeister und verdrehte die Augen.
»Ich hätte nichts dagegen, wenn der Caranku Bri von Lireh in meiner Schuld steht, Komikon«, erwiderte Kratt und schob den Dolch in die Scheide.
Sein Umhang bauschte sich hinter ihm auf, als er durch den Korridor lief. Der Drachenmeister knirschte mit den Zähnen, bis Kratt wieder auftauchte, Misutvia über die Schulter geworfen, wie den Leichnam eines Gharial.
»Jetzt verschwinden wir«, erklärte Kratt knapp.
Wir erreichten die von der Fackel beleuchtete Gabelung am Ende des Korridors in dem Augenblick, als drei Drachenjünger auftauchten. Ihren Roben und den geflochtenen Zöpfen sah man an, dass sie sich in aller Hast angekleidet hatten. Sie versperrten uns den Weg. Ihre Bärte, die zu Pfeilspitzen getrimmt waren, glitzerten ölig im Licht der Fackeln, die sie in den Händen hielten.
»Ihr hättet nicht hierher kommen sollen, Waikar Re Kratt«, knurrte der Drachenjünger mit der Hakennase.
»Das hier ist kein Mobasanin«, erwiderte Kratt. Seine Stimme klang so glatt und kraftvoll wie der muskulöse Leib eines Python. »Das hier ist ein Ort der Perversion, ein verborgener Ort, der nur wenigen bekannt ist. Und jetzt tretet zur Seite.«
»Ich fürchte, dass Ihr Euch noch ein wenig länger hier aufhalten werdet.«
»Tatsächlich?«, erwiderte Kratt gefährlich leise. »Das bezweifle ich sehr. Wenn ich nicht bis morgen Abend nach Brut Re zurückgekehrt bin, wird meine Eskorte, die mich hierher begleitet hat, nicht nur meinem Bruder von der Lage und dem vermutlichen Zweck dieser Festung berichten,
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