Im Bann des Feuers Drachen2
hin und lass mich dich ansehen!«
»Drachenjünger Gen!«, flüsterte ich, während ich vollkommen verwirrt auf meinem Lager aus Spreu lag.
Er fuchtelte wie eine Windmühle mit seinen langen, knochigen Armen herum. Seine zerrissene und schmutzige Kutte flatterte wie das Segel eines Bootes, das von einem Sturm überrascht wird. »Was-was? Es spricht, es bewegt sich, es lebt. Aber gehorcht es auch? Steh auf, hoch mit dir, lass mich dich ansehen, Made!«
»Drachenjünger Gen!«, wiederholte ich dumpf. Der Hüne betrat geduckt meine Box, umfasste mit seiner gewaltigen Hand meinen linken Unterarm und zog mich hoch. Ich keuchte, während eine ganze Skala von Emotionen meinen ohnehin schon vom Gift vernebelten Verstand noch weiter verwirrte.
Drachenjünger Gen, der exzentrische Heilige Hüter, der mich als Akolyth mit Kutte und Überwurf verkleidet in seinem verfallenen Tempel in der Zone der Toten von Brut Re versteckt hatte. Drachenjünger Gen, der Erste außer mir selbst, der den Geist meiner Mutter gesehen hatte, der Erste, der mich Dirwalan Babu nannte, Tochter des Himmelswächters. Drachenjünger Gen, der Mann, der mir die Schriftrolle gezeigt hatte, in welcher geschrieben stand, dass eine wie ich als Schülerin eines Drachenmeisters einem Bullen dienen durfte.
Er umfasste mit seinen großen, schwieligen Händen meine Wangen. Sein hüftlanger, gegabelter Bart drückte sich wie eine Matte ausgetrockneten Krauts gegen meine Brust und meinen Bauch, als er meine Augen untersuchte.
»Du verlierst dich, Blut-Blut«, brummte er. »Du hast dich in den tückisch verführerischen Sumpf des Giftes verirrt.«
Er ließ meinen Kopf los und drehte sein Haupt ein Stück herum. »Sie muss von dem Gift entwöhnt werden, Mann!«, brüllte er über die Schulter. »Sonst wird sie niemals aus ihrer Schlaffheit erwachen! So sicher wie Treibsand wird es sie hinabziehen!«
»Du sagst mir nur, was ich schon weiß«, knurrte der Drachenmeister, dessen Gesicht mich über die Schulter des Drachenjüngers hinweg finster musterte. »Sie interessiert sich nur für dieses Zeug. Sie hat das Leben aufgegeben.«
»Du rufst mich aus meiner geheimen Höhle, verfrachtest mich in diese Grube des Nichts und bringst mein Leben in Gefahr, nur um mich anschließend zu überzeugen, dass diese Reise vergeblich ist? Sie kann entwöhnt werden, sage ich dir! Es ist nur eine Frage des Wissens, wie man am besten diese Sucht in ihrer Seele bekämpfen kann!«
Drachenjünger Gen richtete seinen Blick wieder auf mich, während er immer noch meinen Kopf zwischen seinen Händen hielt. »Wie soll ich dir dieses verfluchte Verlangen aus deinem Blut treiben, heh? Sag es mir.«
Ich wandte meinen Blick ab.
Sein Griff um meine Wangen, um meine Schläfen, verstärkte sich; dann beugte er sich plötzlich so weit zu mir, dass seine hohe Stirn an meiner lag. Er wiegte meinen Kopf, so dass unsere beiden Stirnen aneinander von einer Seite zur anderen rollten, und sog tief meinen Geruch ein.
»Ich kann den Himmelswächter um dich herum wahrnehmen«, murmelte er, »eine geisterhafte Präsenz, und dazu deine Seele.«
Plötzlich presste er seine Lippen auf meine. Seine Zunge wand sich um meine; Ekel durchströmte mich. Ein undurchsichtiger Strudel durchströmte meinen Verstand, eine schwindelnde, blendende Explosion von Licht, die, das wurde mir schlagartig klar, seine Psyche sein musste.
Ebenso unvermittelt wich er zurück, heftig, und schlug mit dem Kopf gegen einen Dachbalken.
»Das ist also der Weg, Blut-Blut!«, rief er und wischte sich mit einem seiner langen Arme über die Lippen. »Ich habe die Antwort, Komikon! Ich werde noch heute Abend den Trank mischen! Und sie darf kein Gift mehr erhalten. Keinen Tropfen!«
»Du glaubst, ihren Lebenswillen mit einem einfachen Kräutertrank wiederbeleben zu können?« Der Drachenmeister zupfte heftig an seinem Kinnbart. »Sieh sie doch an! Welche dir bekannte Magie könnte in einer, die so entschlossen ist zu sterben, den Überlebenswillen entzünden?«
»Du gehst von zu vielen Annahmen aus, Mann! Ich sehe keine Niederlage in ihren Augen, nur Furcht und einen verlorenen Willen!«
»Du redest närrisches Zeug!«
»Tatsächlich?« Drachenjünger Gen tätschelte meine Wange und lächelte. »Was meinst du, Babu? Wer von diesen beiden plappernden alten Männern, die da vor dir stehen, hat deiner Meinung nach recht, hm? Der Komikon oder ich? Wofür würdest du dich entscheiden: einen Vorstoß ins Leben, oder ergibst du dich der
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