Im Bann des Feuers Drachen2
verfolgt werden.«
»Und was glaubt Ihr«, fragte ich heiser, als wäre meine Kehle voller Steine, »will der Himmelswächter, Drachenjünger Gen? Sagt mir, was diese obskure Prophezeiung vorhersagt.«
»Nashe.«
»Schlüpfen«, erwiderte ich heiser und sah zu, wie der Junge bebend in den Armen des Drachenjüngers schluchzte. »Das ist der Akt, wie ein Drachenjunges sich aus dem Ei befreit.«
»Das ist eine Metapher, Babu. Alle Begriffe in der Djimbi-Sprache sind Metaphern. Nashe bedeutet in der Sprache des Imperators Freilassung.«
»Freilassung.«
»Hat sich die Made in einen Papageien verwandelt, dass du mir alles nachplapperst?«, brüllte er. »Freilassung, die Befreiung der Sklaven!«
»Ihr seid Djimbi!«
Er grinste boshaft. »Das ist nicht möglich, heho! So etwas ist im Tempel nicht geduldet, solche Hunde mit verseuchtem Blut! Ich bin ein Fa-Pim, rein in Geist und Körper.«
»Der Tempel gehört den Djimbi«, knurrte der Drachenmeister aus dem Schatten. »Ruhm und Herrschaft gehören uns. Lange bevor der Imperator den Tempel in die Parodie verwandelte, die er jetzt ist, existierte der Drachentempel im Dschungel, unter den Djimbi. Der Tempel gehört uns!«
»Ja, ja«, erwiderte der Drachenjünger, hob seinen langen Arm und tat die hitzigen Bemerkungen des Drachenmeisters mit einer Bewegung ab. »Jetzt, Babu, triffst du jetzt eine Entscheidung, was-was? Verurteilst du diesen Jungen zu lebenslanger Folter, willst du das? Höchst nutzloser Folter, denn er ist nicht der Prophezeite, ist nicht die Dirwalan Babu, und kann von daher niemals die Macht des Himmelswächters so kanalisieren, wie du es kannst. Was den frustrierten Wächter nicht davon abhalten wird, ihn zu verfolgen, in seinem Bemühen, das Heilige aus seinen Ketten zu befreien. Nashe, Blut-Blut! Der Himmelswächter verlangt Nashe!«
Der Himmelswächter verlangte nichts dergleichen. Der Himmelswächter war der Geist meiner Mutter, und die wollte nur Waivia finden.
Drachenjünger Gen drehte den Jungen so, dass er mit dem Gesicht zu mir stand. Er war das verkörperte Elend, dieser ausgemergelte Junge. Tränen schimmerten wie Aloe-Tropfen auf seinen Wangen.
»Sieh dir den Jungen an, der niemals die Liebkosung einer Mutter erfahren hat, sieh deinen Bruder an, und verurteile ihn zu einem Leben voller Qualen, nachdem er in seiner Jugend unter Kratts Verlangen leiden musste! Nimm seine verstümmelte Hand in deine, und weise ihn zurück wegen deiner niederen Gelüste und deiner Flucht in den Tod!«
»Hört auf!«, keuchte ich.
»Steh auf! Komm her! Seine Hand erwartet …«
»Hört auf!«
»Dann antworte.«
Ich atmete schwer, während ich den verängstigten Jungen betrachtete.
»Wie heißt du?«, erkundigte ich mich schließlich.
»Man nennt mich Naji«, flüsterte er, und ich erschauerte. »Einhundert. Ich bin der hundertste Asak-Illyas, der in dem Viayandor des derzeitigen Roshu-Lupini dient.«
Viayandor. Das Bayen-Äquivalent für das Langhaus der Rishi, in dem Kinder und Frauen getrennt von den Männern lebten. Es schüttelte mich erneut, als mir bewusst wurde, wie man ihn genannt hatte: Naji. Welch ein boshafter Zufall, dass er und ich, für eine kurze Zeit, denselben Namen trugen.
»Bevor du Kratts Wai-Roydan Yin dientest, wie lautete da dein Name?«
»Ich bin Naji«, sagte er bebend vor Angst, Ärger zu erregen.
»Er war bereits unmittelbar nach seiner Geburt für diese Stellung bestimmt«, sagte der Drachenjünger. »Er wurde immer Naji genannt …«
»Er war nicht dafür bestimmt«, widersprach ich hitzig. Meine Kehle zog sich zusammen, erstickt von ungeweinten Tränen. »Seine Name bei seiner Geburt lautete Danku Re Darquels Waikar, Erster Sohn des Töpfermeisters Darquel von Brut Re. Der Name deiner Mutter war Kavarria. Darquels Kavarria. Man musste sie aus dem Wabe Din Tempel zerren, als sie erfuhr, dass man dich ihr von ihrer Brust gestohlen und dorthin verschleppt hatte. Sie liebte dich. Das musst du wissen.«
Tränen liefen dem Jungen über die Wangen. »Kanntest du sie?«
Ich zögerte. »Ich kenne sie«, erwiderte ich dann grimmig, müde.
»Sie lebt noch?«
Mir fiel keine andere Antwort auf diese hoffnungsvolle Frage ein als diese: »Ihre Knochen sind schon lange der Sonne und Erde ausgesetzt, ihr Fleisch wurde von Tieren verzehrt.«
Er hielt die Luft an und nickte mit all dem Mut, den sein schwieriges Leben ihn aufzubringen gelehrt hatte.
»Hast du schon alle deine Milchzähne verloren?«, fragte ich. »Bist du
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