Im Bann des Feuers Drachen2
gelassen, dachte ich, genauso wie damals, als ich neun Jahre alt war. Zugunsten Waivias. Schon wieder.
Warum? Was hatte ich ihr getan, damals, als Kind? Was hatte meine Mutter veranlasst, Waivia so bedingungslos ihre Liebe zu schenken, meiner Schwester, und nicht mir?
Diese schillernden Spiegel hoch über mir … wie hypnotisierend sie waren, wie verführerisch. Wie diese kleinen Flecken aus Quarz, die mich in meiner Nische in der Gewölbekammer der Viagand so verzaubert hatten, vor noch gar nicht so langer Zeit. Wie die Tausende von Sternen, die am Nachthimmel funkelten, damals, als meine Mutter sich erstmals offen dem Tempel widersetzte, indem sie Glasur und Lehmblöcke im Dschungel versteckte, statt sie an Sa Gikiro wegzugeben. Das war fast ein Jahrzehnt her.
Dann widerfuhr mir, dort auf dem Rücken in der Arena liegend, ein Grunu-Engros, als ich auf diese schimmernden Lichtpunkte starrte, während der gewaltige Drachenbulle einen der Jungen zerfetzte. Ich erfuhr eine Berührung durch den Drachengeist, diese Illusion, eine ähnliche Situation bereits einmal erlebt zu haben, eine, die bedeutsam für das Leben einer Person ist, die aber noch bevorsteht.
Und ich erinnerte mich.
Ich erinnerte mich an die Visionen, die ich durchlebt hatte, als ich apathisch in den Klauen des Giftes in meiner Nische in der Kammer der Viagand lag, auf die Flecken aus Quarz und Feldspat im Stein über mir starrte. Ich erinnerte mich daran, dass ich die Erfahrung gemacht hatte, ein Drachenbulle zu sein.
Nicht einmal, zweimal, nein dreimal hatte ich beim Shinchiwouk gekämpft, als ich im Bann des Giftes stand und dem Lied der Drachen lauschte. So oft, dass meine Gliedmaßen sogar noch im Schlaf zuckten, wenn ich mich an die Täuschungen und Sprünge erinnerte, die ein Drache im Kampf vollführte.
In diesem Moment wurde mir klar, dass ich die Arena überleben konnte. Ohne den Schutz des Geistes meiner Mutter, sogar ohne die Sicherheit des Gefühls, von meiner Mutter jemals geliebt worden zu sein. Ich wusste, dass ich überleben konnte.
Wie?
Weil ich denken konnte wie Re, jede seiner Bewegungen vorherahnen konnte, noch ehe er reagierte.
Als diese Hoffnung in mir aufflammte, strömte Adrenalin durch meinen Körper. Die Kombination aus Hoffnung und Adrenalin war in diesem Moment so mächtig wie Gift, das direkt in meine Muskeln injiziert wurde, in meine Nerven, Sehnen und mein Fleisch.
Steif und mit ruckartigen Bewegungen erhob ich mich.
Ich atmete schwer, meine Finger kribbelten, als das Blut hineinfloss, und ich hielt nach Donos Poliar Ausschau. Ich entdeckte ihn ganz in meiner Nähe, nicht weit von der Stelle, an welcher der Drachenmeister noch immer auf Donos Rücken hockte, die Kette, mit der er gefesselt war, um Donos Hals geschlungen. Ich bückte mich nach dem Prügel. Der Schmerz, der mich bei dieser Bewegung durchzuckte, war so weißglühend wie ein Blitz. Mir verschwamm alles vor den Augen, ich tastete nach dem Poliar, bis meine Finger seinen glatten, vom Staub bedeckten Griff ertasteten. Ich wog ihn in meinen gefesselten Händen, richtete mich auf, sog scharf die Luft ein.
Langsam drehte ich mich um.
Fast auf der anderen Seite der Arena hatte Re offenbar genug davon, mit dem verstümmelten Leichnam eines der Novizen zu spielen, und hob gerade den Kopf von dem zerfetzten Kadaver. Unsere Blicke begegneten sich. Der Abstand zwischen uns schien sich rasend schnell zu verkleinern.
Ich hob meinen Poliar hoch, holte tief Luft und brüllte meine Herausforderung heraus.
Alle Wut, alle Furcht, aller Schmerz, die ich empfand wegen all dessen, was ich heute und in all den Tagen meines Lebens mit angesehen hatte, strömten in meinen Schrei. Das Gebrüll, das aus meinem Mund kam, schwoll an, wurde ungeheuerlich, heiser, primitiv und gewaltig. Es war kein menschlicher Schrei, nein; es waren Laut gewordenes Elend und Hoffnung, die mit der Wucht eines Orkans explodierten. Vom Rund der Arena zehnfach verstärkt, fegte dieser Schlachtruf über einen Rang nach dem anderen, und ich schwöre, dass selbst die Banner und Zelte in den Logen der Bayen unter seiner Wucht erzitterten.
Re bäumte sich auf und schüttelte den Kopf. Seine gewaltigen Kinnlappen schwangen hin und her, und das Stadion erzitterte unter seiner Erwiderung. Er kauerte sich zusammen, ehe er in die Luft sprang, die Schwingen ausgebreitet, Hals und Schnauze in den Himmel gerichtet, den Torso ungeschützt, die Hinterbeine ausgestreckt, zur Vorbereitung auf die Landung.
Es
Weitere Kostenlose Bücher