Im Bann des Feuers Drachen2
mich in Ruhe. Verschwinde!«
Der Geist schüttelte drohend seinen gefiederten Kopf und klapperte mit dem Schnabel. Mit einem Zischen erhob er sich in die Luft, stieg flügelschlagend in die Nacht empor, leuchtend wie ein verirrter Stern.
Ich erschauerte, in kaltem Schweiß gebadet, und weinte vor Wut und Enttäuschung.
Neben mir hörte ich ein Keuchen. Ich drehte mich um.
Ringus stand da, schwer atmend und mit vor Furcht glänzenden Augen. Er presste sich gegen den Rand des Schlachttischs und umklammerte das dicke Holz, als hinge sein Leben davon ab.
»Eidon«, flüsterte er in dem ohnmächtigen Versuch, den Veteranen zu Hilfe zu rufen. »Hilf mir, Eidon.«
»Erzähl niemandem davon«, drohte ich ihm mit erstickter Stimme.
Er nickte, während er mich anstarrte.
»Und jetzt verschwinde hier«, fuhr ich fort. »Such deinen Eidon und wirf dich in seine Arme. Verschwinde.«
Ringus drehte sich um und floh zu der Hütte, taumelnd, als würden seine Beine ihn nicht mehr tragen. Er mühte sich mit den Gharialhäuten ab, die vor dem Eingang hingen, und hätte sie in seiner Verzweiflung, in die Hütte zu gelangen, fast heruntergerissen.
Ich sah ihm nach, ballte die Hände so fest zusammen, dass meine Fingernägel die Haut meiner Handballen zerfetzten. Ich sah ihm in der Gewissheit nach, dass er Eidon erzählen würde, was er heute mitangesehen hatte. Doch es kümmerte mich nicht.
Ich würde in der Lehre des Drachenmeisters bleiben, als sein Schüler, und eines Tages selbst Drachenmeister werden, ganz gleich, wie viele Stöcke man mir auch zwischen die Beine werfen mochte. Schon allein, um dem Geist meiner Mutter zu trotzen und allen zu beweisen, dass ich es schaffen konnte, würde ich bleiben. Ich würde Mutter zeigen, dass ich mindestens genauso gerissen und wertvoll war wie ihre kostbare Waivia.
Oh ja, das würde ich tun.
5
S teh auf, Ausgeburt!« Dono stand neben meiner Hängematte in meiner Stallbox, kippte mir einen Eimer eiskaltes Wasser ins Gesicht.
Spuckend und keuchend fuhr ich hoch.
Diener und Novizen, die sich an der Schwelle meiner Box drängten, kicherten. Dono drehte sich um und schritt hinaus; die Jünglinge bildeten hastig eine Gasse, um ihm Platz zu machen.
Ich besaß nicht die Kraft, um ihn zu verfolgen. Mein gesamter Körper fühlte sich so steif an wie eine getrocknete Tierhaut. Ich warf den Neugierigen finstere Blicke zu und wischte mir das Wasser aus den Augen.
»Was gibt es da zu glotzen, heho?«
Sie murmelten untereinander und kehrten zu ihrer Hütte zurück, aus der gerade andere Schüler heraustaumelten und über den Hof zu den Latrinen stolperten. Meine Latrine wirkte, noch ohne ihr Dach, wie enthauptet.
Dann fiel mir der Besuch meiner Mutter ein. Zitternd und klatschnass schlug ich die Hände vor mein Gesicht.
Es gab so viel, wogegen ich kämpfen musste, in mir und um mich herum; so würde es immer sein. Jeder Moment dieses Lebens als Schüler eines Drachenmeisters, das ich erwählt hatte, würde von Kampf geprägt sein, Kampf um den Respekt meiner Kameraden, Kampf, in der Lehrzeit die Arbeit mit den Drachen zu überstehen, Kampf, die Arena zu überleben, wenn es so weit war. Zudem musste ich täglich gegen den eisernen Willen des Geistes meiner Mutter ankämpfen sowie gegen die Konventionen unserer Gesellschaft, gegen die mächtigen Gesetze des Tempels, gegen den Hass der Rishi, deren Lebensumstände ich verbessern wollte, indem ich mich den Sitten und Vorschriften widersetzte, denen sie so ergeben nachhingen.
Wo, bei all diesen Kämpfen, war mein Wunsch nach Rache geblieben, das Ziel, Waikar Re Kratt aus seiner Brutstätte zu vertreiben, ihn zu vernichten? Ich hatte einfach nicht genug Mumm, das alles zu bewerkstelligen.
Ich brauchte so dringend Schlaf, dass sich meine Augen wie feuchte Klumpen aus Lehm und Stroh anfühlten, meine Knochen zerbrechlich wie Glasröhren und meine Muskeln wie schwere, verfaulte Melonen.
Was war nur in mich gefahren, einen solch unmöglichen Weg zu beschreiten? Wie konnte ich nur so naiv sein? Meine Lage war nahezu ausweglos. Vielleicht sollte ich tatsächlich alles aufgeben, den Wünschen meiner Mutter folgen und mich auf die Suche nach einer Schwester machen, die schon lange verschollen und höchstwahrscheinlich tot war.
Oh, Re! Ich brauchte Gift, um den Geist in Schach zu halten. Ich brauchte Gift, damit ich weiterkämpfen, meinen Weg fortsetzen konnte.
Kaum schoss mir dieser Gedanke durch den Kopf, als mir auch schon der beißende Geruch
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