Im Bann des Feuers Drachen2
mir, hatte mich nicht ankommen sehen. Ich fragte mich, was wohl geschehen war, seit er gestern Nacht vor mir geflüchtet war.
Ringus beendete unvermittelt die Übungen und stieß einen langen Pfiff aus. Die Diener stürzten sich auf den Hindernisparcours des Übungsfeldes.
Zuerst rannten sie zu einem hüfthohen, schmalen Balken, balancierten darüber und sprangen mit einem Purzelbaum am Ende herunter. Nach der Landung rafften sie eine oder mehrere Teile der Kampfausrüstungen an sich, die auf dem Boden herumlagen. Während sie umherliefen und auf einige hohe, mit Stroh umwickelte Pfähle einprügelten, bekämpften und behinderten sie sich gegenseitig. Die Verbissenheit, mit der sie ihre Übungen absolvierten, steigerte sich; sie schwangen ihre Schilde, Lanzen, Umhänge und Knüppel mit boshaftem Ingrimm. Immer wieder gellten zwischen dem angestrengten Knurren laute Schmerzensschreie auf.
Nachdem sie acht Runden auf dem Hindernisparcours absolviert hatten, liefen die Diener wieder zu dem Balken zurück, ließen ihre Waffen davor fallen und warfen sich dann auf ein kuppelförmiges, mit Tierhaut überspanntes Gestell.
Es war etwa vier Meter hoch, bestand aus gebogenen Bambusstangen und sollte unverkennbar den Rücken eines Drachenbullen repräsentieren. Ziel der Übung war, auf den Rücken dieses Bambusdrachen zu springen, indem man seine Hinterbeine als Sprungbrett nutzte, sich von dort auf sein Rückgrat zu schwingen, von dort nach einer halben Drehung die andere Seite hinabzurutschen und so an der gegenüberliegenden Flanke auf dem Boden zu landen.
Unterdessen sprang Ringus heran und huschte unter dem symbolischen Hodensack des Drachen hindurch. Die recht aufdringliche Beule, die ihn versinnbildlichte, kam mir zwar viel größer vor als bei einem echten Bullen, aber genau wusste ich es nicht. Die einzigen männlichen Drachen, die ich gesehen hatte, waren die senilen Bullen im Konvent von Tieron gewesen; die Hoden und Penisse dieser Bestien waren ebenso verschrumpelt gewesen wie ihre Schwingen.
Jedes Mal, wenn Ringus auf die Hoden des Bambusdrachen zurannte, breitete er die Arme aus, umarmte den Hodensack, so gut er konnte, und rieb seinen Oberkörper und die Hüften dagegen, als versuchte er, Kreise darauf zu malen.
Ich errötete bis unter die Haarwurzeln.
Das war der anrüchige Teil der Pflichten eines Schülers, der Teil, bei dem Kinder und Frauen kicherten, und es war dieser Moment in der Arena, in dem Männer lüstern ihre Aufmunterungen herausbrüllten, meist mit anzüglichem Spott garniert. Wir Schüler setzten unsere Hände und Körper ein, um den Drachenbullen zu erregen. In eben diesem Augenblick prostituierten wir uns für den Tempel.
Ein Drachenbulle kann nur während des Shinchiwouk eine Erektion bekommen, beim Kampf und Kräftemessen mit einem anderen Bullen. Weil Bullen jedoch so selten sind, würde kein Kriegerfürst einer Brutstätte seinen kostbaren Bullen bei einem solchen Kampf aufs Spiel setzen. Aus diesem Grund wurde das Abbasin Shinchiwouk, die Arena, ins Leben gerufen. Was ich bis dahin von der Arena wusste, war Folgendes:
Die Arena lag am Rand von Fwendar ki Bol, dem Dorf der Eier, und war sowohl ein Ort als auch ein Ereignis. Jedes Jahr unterzogen sich die Drachenbullen jeder Brutstätte acht Tage lang in dem gewaltigen Tempelstadion dem Shinchiwouk. Man schloss Wetten darauf ab, wie lange die Drachenschüler jeder Brutstätte brauchen würden, um ihren Bullen zu erregen, wie viele Schüler dabei ihr Leben verlieren würden und wie viele Drachenkühe ein Bulle besteigen würde, sobald er erst erregt war. Dieses blutige, wüste Spektakel wurde vom Hochadel Malacars und des ganzen Archipels besucht. Die tiefer gelegenen Ränge der Arena, die sich näher an den Ereignissen befanden, waren immer bis zum Bersten von Rishi besetzt, von xxeltekischen Seeleuten und niederen Händlern. Status, Wohlstand und politischer Einfluss einer jeden Brutstätte wurde jedes Jahr in der Arena neu entschieden. Die Hälfte der Schüler eines Drachenmeisters blieben auf ihrem blutgetränkten Boden liegen.
Während des Shinchiwouk in der Wildnis greifen die Bullen mit ihren gepanzerten Schädeln die Flanken und die Hoden ihres Gegners an, natürlich in der Absicht, den Konkurrenten zu vertreiben. Die wenigen überlieferten Berichte von solchen wilden Shinchiwouks im Dschungel berichten allerdings übereinstimmend, dass der schwächere Bulle sich zurückzieht, bevor er ernsthaft verletzt wird. Diese
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