Im Bann des Feuers Drachen2
Frau.
Und eben dieser Ghepp stand jetzt hier, auf dem staubigen Vebalu-Übungsfeld, und wollte mit mir reden.
»Du stinkst.« Ringus lenkte meine Aufmerksamkeit von dem Bayen auf sich. Er deutete mit einem Finger auf die Zisterne am anderen Ende des Feldes. »Ich würde mich vorher lieber waschen.«
»Ja«, murmelte ich verwirrt. »Sicher.«
Ringus spitzte seine festen, süßen Lippen und traf schließlich eine Entscheidung. »Ich hole den Drachenmeister. Falls du ihn brauchst.«
»Danke.« Mein Herz hämmerte vor Aufregung, dann drehte ich mich um und ging rasch zu der Zisterne.
Was konnte Ghepp von mir wollen?
Rutkar Re Ghepp war angeblich ein bedachtsamer, berechenbarer Mann, vielleicht ein wenig zu gemessen für sein Alter. Wie viele Rishi von Brut Re hielt ich ihn für einen weitaus besseren künftigen Kriegerfürsten der Brutstätte als Kratt, dessen Sadismus und Ungeduld bereits vielen Menschen in unserer Brutstätte Elend und Tod gebracht hatten.
Als ich jetzt Ghepp dort am Rand des Vebalu-Übungsfeldes stehen sah, erinnerte ich mich plötzlich an meinen Schwur, an seinem Bruder Rache zu üben und ihn zu vernichten. Bei dem täglichen Arbeitspensum, das ein Novize zu bewältigen hatte, und aufgrund der steigenden Furcht vor dem Tag der Arena hatte ich mein ursprüngliches Motiv, weswegen ich überhaupt in die Lehre des Drachenmeisters getreten war, vollkommen aus den Augen verloren.
Dass ich jetzt so unvermittelt an so etwas Bedeutsames wie diesen wahnsinnigen Ehrgeiz erinnert wurde, erfüllte mich mit Unbehagen. Es war recht angenehm gewesen, eine Weile nicht mit dem Wunsch nach Vernichtung eines Menschen und gesellschaftlichen Veränderungen beschäftigt zu sein, sondern nur die Erfolge jedes einzelnen Tages zu genießen oder gegen das Scheitern anzukämpfen. Ich fühlte mich dabei, als hätte ich wieder einen Clan und ein Zuhause.
Hastig wusch ich mich, spritzte mir Wasser ins Gesicht und schüttelte es ab, wie ein Hund es tut. Dann holte ich tief Luft und setzte mich in Richtung Ghepp in Bewegung, wobei ich einen Bogen um die Diener machte, die am anderen Ende des Übungsfeldes miteinander rangen.
Ich fühlte, wie ihre Blicke mir folgten, selbst während sie gegeneinander kämpften.
Rutkar Re Ghepp machte, gekleidet in grüne und rötliche Seide, eine ausgezeichnete Figur auf dem ansonsten eher trostlosen Vebalu-Feld. Ihm zur Seite standen zwei Männer, welche die reich bestickten, blauroten Roben von Ratgebern der Cafar trugen, und neben jedem dieser Ratgeber standen Cafar Wachen, prächtig anzusehen mit ihren kurzen Röcken und Brustpanzern aus stahlplattenbesetztem, schwarzem Leder.
Ich blieb vor Ghepp stehen und starrte, wie es der Brauch verlangte, auf seine Stiefel. Sie bestanden aus einem weichen Leder, das ich noch nie zuvor gesehen hatte, einem Wildleder, das möglicherweise von einer im Dschungel gefangenen Kreatur stammte oder von einem Tier vom Archipel oder aus den Nördlichen Reichen, das ich niemals zu Gesicht bekommen würde. Die Ratgeber konnte ich riechen. Sie stanken so stark nach Parfum und Pomade, dass sich der Geruch wie ein bitterer Geschmack auf meine Zunge legte. Einer der Ratgeber atmete vernehmlich durch die Nase, als litte er unter Verstopfung. Eine Feuerameise lief über meinen nackten Fuß.
»Was hast du hier zu schaffen, in den Stallungen der Brutstätte meines Vaters?«, murmelte Ghepp.
Ich hob den Kopf, ich konnte nicht anders, und begegnete dem ruhigen Blick seiner mandelförmigen, braunen Augen. Das dunkle Haar über seiner Stirn war ein wenig zerzaust, seine Haut hatte die Farbe alten Elfenbeins, und seine vollen Lippen unter den hohen Wangenknochen waren leicht geöffnet. Er hatte ein wunderschönes Gesicht, eines, dem Frauen sicherlich viele romantische Fantasien widmeten – und gewiss auch viele Männer.
»Ich möchte als Schülerin dienen, Bayen Hacros«, antwortete ich.
»Frauen gehen nicht in die Lehre. Frauen dienen keinen Drachen.«
»Onai dienen Drachen. Ich wurde mit einem Heiligen Messer auf die Weise dieser Frauen beschnitten.«
»Ich habe gehört, wie mein Bruder dieses Argument gegen den Ranreeb und unseren Daron angeführt hat.«
Natürlich hatte er das gehört. Ich senkte den Blick. »Ja, Bayen Hacros. Vergebt mir.«
Seine weichen Wildlederschuhe bewegten sich. »Du möchtest also Schülerin sein. Du möchtest Roshu-Lupini Res Drachen dienen.«
»Ja, Bayen Hacros.«
»Und eines Tages Drachenmeister dieser Brutstätte
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