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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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woll­test?«
    Sie blick­te ihn an, ge­hetzt ihr Blick, dann senk­te sie rasch den Kopf und hol­te Luft.
    »Ich weiß, dass du mich be­ob­ach­test, Ra­vin. Und ich weiß, dass Skaard­ja denkt, ich … ich sei be­reits ei­ne Wor­an. Ja, ich wuss­te, das Pferd wür­de nicht lan­ge le­ben. Aber ich ha­be nichts ge­se­hen, was dich, Dari­an oder die an­de­ren be­trifft. Und be­vor du mich fragst …« – ih­re Stim­me zit­ter­te – »… Nein, ich ha­be nicht ge­se­hen, dass Sel­la ster­ben wür­de.«
    Ra­vin starr­te in die Asche, in der noch ei­ni­ge Fun­ken Glut glom­men.
    »Und du siehst nichts im Tjärg­wald? Nichts über Dio­len – und Jo­lon?«
    Als er auf­blick­te, sah er die stei­le Fal­te auf Ami­nas Stirn. Sie ver­schränk­te die Ar­me vor ih­rer Brust, als wür­de sie frös­teln, ihr Blick war dun­kel und zor­nig.
    »Ra­vin«, sag­te sie ge­presst. »Ich sa­ge es dir ein letz­tes Mal. Ich weiß nicht, ob Jo­lon ster­ben oder le­ben wird. Und ich weiß nicht, wo Dio­len ist. Wenn ich all das wüss­te, dann glau­be mir, wä­re ich die Ers­te, die den Mund auf­ma­chen wür­de, um die­sem Alb­traum der Un­ge­wiss­heit end­lich ein En­de zu be­rei­ten. Ich ha­be ge­nug da­mit zu tun!«
    Sie streck­te ihm die Hand­flä­che hin. Die drei Si­chel­mon­de leuch­te­ten rot und ent­zün­det auf, doch sie wa­ren bei­na­he ver­heilt und be­gan­nen wie­der ih­re al­te Form an­zu­neh­men.
    »Ent­schul­di­ge«, mur­mel­te Ra­vin und senk­te den Kopf. »Ich ha­be es nicht ver­ges­sen.«
    »Wir ha­ben ei­nes ge­mein­sam, Ra­vin«, sag­te sie bit­ter. »Du ver­lierst dei­nen Bru­der. Und ich ver­lie­re mich. Wir bei­de ar­bei­ten ge­gen die Zeit. Und die Zu­kunft hat mir nicht ver­ra­ten, wer von uns ge­winnt.«
     
    A
    ls wä­ren sie mit der Über­que­rung von Skig­gas Fluss­be­cken ins Le­ben zu­rück­ge­kehrt, stie­ßen sie am nächs­ten Tag auf die Spu­ren von Sied­lun­gen. Dann ka­men sie an fel­si­gen Wie­sen vor­bei, die sich im im­mer fla­cher wer­den­den Flus­stal er­streck­ten. Sie ent­deck­ten Her­den von klei­nen Zie­gen mit hel­lem Fell und lan­gen, schwar­zen Aal­stri­chen auf dem Rücken. Hier und da wuch­sen Grup­pen von jun­gen Mar­ju­la­bäumen, die so ge­pflanzt wor­den wa­ren, dass sie die kup­pel­för­mi­gen Zie­gen­häus­chen aus weißem Fluss­stein vor dem Wind schütz­ten.
    Ge­gen Nach­mit­tag sa­hen sie das Ge­höft, zu dem die Zie­gen ge­hör­ten, und leg­ten ei­ne kur­ze Rast ein. Ladro nahm ei­ni­ge der Skil­dis und wan­der­te hin­über. Kur­ze Zeit dar­auf kehr­te er mit Kä­se, Früch­ten und Tü­chern zu­rück. Die Men­schen, die sie hier und da sa­hen, hat­ten son­nen­ver­brann­te Haut, dunkles Haar und tru­gen al­le die­se lo­se ge­bun­de­nen Tü­cher. Ei­ne Frau mit ei­nem klei­nen Mäd­chen auf der Hüf­te wink­te ih­nen zu. Sie wink­ten zu­rück und Ra­vin durch­rie­sel­te bei die­ser ver­trau­ten Ges­te plötz­lich ein Ge­fühl der Ge­bor­gen­heit. Ein biss­chen war es so, als wür­den sie nach Dan­tar heim­keh­ren. Nach ei­ner Wei­le leg­ten sie die Tü­cher an, wie sie es bei den Ein­hei­mi­schen ge­se­hen hat­ten. Ra­vin wähl­te ein leuch­tend grü­nes Tuch, das an­ge­nehm kühl auf sei­ner Haut lag. Trotz­dem fühl­te er sich un­ter dem un­ge­wohnt leich­ten, wei­chen Stoff nackt und auf ei­ne un­er­klär­li­che Wei­se schutz­los. Als er be­merk­te, wie er un­be­wusst nach sei­nem Schleu­der­rie­men tas­te­te, muss­te er lä­cheln. Hier ist kein Krieg, dach­te er. Kei­ne Er­lo­sche­nen, kei­ne Hor­jun, die uns je­den Mo­ment an­grei­fen und tö­ten kön­nen. Nur Frie­den, grü­ne Wie­sen und ei­ne flir­ren­de, bun­te Stadt, die uns er­war­tet.
    Er blieb auf Va­ju ein we­nig zu­rück, bis er auf ei­ner Hö­he mit Mel Amie ritt. Sie saß auf dem Hor­jun-Pferd, das ihm vor­kam wie ei­ne vor­wurfs­vol­le Er­in­ne­rung an Ta­ge vol­ler Käl­te und Dun­kel­heit. Nach wie vor war es schreck­haft, an ei­ni­gen Stel­len am Hals kleb­te noch ge­trock­ne­tes Blut. Ei­ne große Schürf­wun­de zog sich quer über die Schul­ter, doch es hin­k­te nicht. Den­noch ließ Mel Amie es lang­sam ge­hen und nahm in Kauf, dass ih­re Ge­fähr­ten ihr weit

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