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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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ein­an­der.«
    Ein Lä­cheln glitt über ihr Ge­sicht, das ers­te seit vie­len Mon­den, wie ihm schi­en. Ger­ne hät­te er es in der lee­ren Phio­le ein­ge­fan­gen und wie ei­ne kost­ba­re Er­in­ne­rung auf­be­wahrt.
    »Das ist wahr, Ra­vin. Und trotz­dem ist es mir lie­ber, wir strei­ten uns, als dass wir uns nie wie­der­se­hen!« Sie sah auf den Bo­den und sprach has­tig wei­ter, als woll­te sie ihn dar­an hin­dern, et­was zu sa­gen. »In den ver­gan­ge­nen Ta­gen ha­be ich dich ge­sucht, weil ich dir ei­ne Ge­schich­te er­zäh­len woll­te.«
    Ver­wirrt sah er sie an. Sie be­merk­te sein Er­stau­nen und konn­te sich ein Lä­cheln nicht ver­knei­fen. Dann wur­de sie wie­der ernst.
    »Vor lan­ger Zeit be­geg­ne­ten sich am Fu­ße der Feu­er­ber­ge ein Rei­ter und ei­ne Wor­an. Der Rei­ter leb­te am Fu­ße des Ber­ges, wo er von La­ger­platz zu La­ger­platz zog. Er war ge­schickt und flink – und so mu­tig und dick­köp­fig, dass er den Tod schon zu oft ge­se­hen hat­te. In den Ber­gen leb­te auf der dunklen Sei­te des Mon­des ei­ne Wor­an. Ei­ne jäh­zor­ni­ge Wor­an, die tö­ten konn­te, doch nicht woll­te, die ei­ne schar­fe Zun­ge hat­te und ein ver­wund­ba­res Herz. Wenn sie sich tra­fen, sag­te sie dies und er ant­wor­te­te das – und dann ritt er wü­tend in sei­nen Wald und sie zog sich grol­lend in ih­re Ber­ge zu­rück. So un­ter­schied­lich sie auch wa­ren, er­kann­ten sie doch bald, dass sie oh­ne ein­an­der nicht mehr le­ben woll­ten. Al­so gin­gen sie zum Hü­ter der Feu­er­ber­ge und frag­ten ihn um Rat. ›Als es die Men­schen noch nicht gab‹, sprach er, –›wa­ren auf der Er­de nur Wald und Fels, Feu­er und Was­ser. Das Was­ser sah das Feu­er und ver­lieb­te sich und auch das Feu­er fand Ge­fal­len am Was­ser. Sie um­kreis­ten ein­an­der und zwei­fel­ten, ob sie zu­sam­men­kom­men könn­ten. Das Feu­er fürch­te­te, das Was­ser könn­te es lö­schen, das Was­ser hat­te Angst, zu ver­duns­ten, wenn das Feu­er ihm zu na­he käme. So um­tanz­ten sie ein­an­der vol­ler Angst und Sehn­sucht, ka­men sich nah, ver­letz­ten sich, doch im­mer wie­der floss das Was­ser auf die Er­de zu­rück und im­mer fla­cker­te das Feu­er wie­der auf. Schließ­lich ka­men sie zum Äl­tes­ten der Fel­sen und frag­ten um Rat. Und der Fel­sen dach­te nach. Nach vie­len Jah­ren fiel ihm ei­ne Lö­sung ein. Aus Ja­lafrucht, Sand und Holz form­te er die Hül­le ei­nes Men­schen, die er zwi­schen das Feu­er und das Was­ser auf die Lich­tung leg­te. Der Fel­sen sprach: Nun be­rührt ihn oh­ne ihm zu scha­den. Falls euch dies ge­lingt, wer­det ihr euch um­fan­gen kön­nen. Das Feu­er zwei­fel­te: Wenn ich ihm na­he kom­me, wird er ver­bren­nen. Das Was­ser sag­te: Wenn ich ihn um­spü­le, wird er fort­ge­schwemmt. Doch dann be­schlos­sen sie ihn gleich­zei­tig zu be­rüh­ren. Feu­er und Was­ser wag­ten den Sprung – und die ro­te Glut des Feu­ers und die flie­ßen­de Küh­le des Was­sers ver­ein­ten sich und wur­den zu Blut! Der Mensch, den der Fel­sen er­schaf­fen hat­te, er­wach­te zum Le­ben. Seit­dem le­ben Feu­er und Was­ser ge­mein­sam in je­dem Men­schen. ‹
    ›Al­so‹, schloss der Hü­ter der Feu­er­ber­ge. – ›Wenn Feu­er und Was­ser sich fan­den, warum soll­ten ein Rei­ter und ei­ne Wor­an es nicht kön­nen? Wagt den Sprung!‹«
    »Und was ta­ten sie ?« , frag­te Ra­vin.
    Sie lä­chel­te, trat zu ihm – und leg­te die Ar­me um ihn. Ein Schwarm von auf­ge­schreck­ten Vö­geln schi­en in sei­ner Brust auf­zu­flat­tern.
    »Sie um­arm­ten sich und wag­ten den Sprung«, flüs­ter­te sie.
    Dunkles Wor­an­haar fiel über sei­ne Hän­de, als er mit klop­fen­dem Her­zen ih­re Um­ar­mung er­wi­der­te.
    »Und sie ha­ben sich nicht mehr ver­letzt?«
    »O doch«, sag­te sie ernst. »Noch oft. Aber sie fan­den im­mer wie­der zu­sam­men.«
    Aus ir­gend­ei­nem Grund muss­te er über die­se Ant­wort la­chen. Ih­re Au­gen fla­cker­ten in blau­er Glut, ein we­nig er­in­ner­ten ihn die Wor­an­au­gen an Na­ja. Drau­ßen hat­te ein hef­ti­ger Herbst­re­gen ein­ge­setzt. Ge­mein­sam blick­ten sie auf die über­schwemm­ten Ufer und die ster­ben­den Rauch­säu­len. Be­hut­sam

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