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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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wis­sen, dass sie nun an ih­rem ers­ten Ziel wa­ren, stell­te sich nicht ein. Statt­des­sen fühl­te er sich leer und auf ei­ne schwe­re Wei­se trau­rig. Zu trau­rig um zu wei­nen.
    Die an­de­ren schwie­gen.
    »Wir müs­sen den Pfer­den ei­ne Pau­se gön­nen«, sag­te schließ­lich Mel Amie.
    In der Nä­he fan­den sie ei­ne Grup­pe wind­schie­fer, nied­ri­ger Bäu­me.
    »Ich hal­te zu­erst Wa­che«, ver­kün­de­te Ra­vin. »Ich ha­be ei­ne gan­ze Zeit lang auf dem Pfer­derücken ge­schla­fen.«
    »Das ist der bes­te Vor­schlag, den ich seit Wo­chen ge­hört ha­be«, seufz­te Mel Amie und zog ein ver­wit­ter­tes Ast­stück zu sich her­an, das sie als Stüt­ze un­ter ih­ren Kopf schob.
    Ra­vin setz­te sich auf die Wie­se und be­trach­te­te die Lich­ter von Dan­tar. Er be­merk­te auch Licht­punk­te auf dem Meer, die um ei­ne dunkle Mit­te husch­ten. Dann wie­der blie­ben sie für lan­ge Zeit still und be­weg­ten sich mit dem Schat­ten ein Stück vor­an. Die Schat­ten la­gen ru­hig auf dem Was­ser, nur manch­mal zit­ter­ten sie und schie­nen zu schwan­ken. Ra­vin kniff die Au­gen zu­sam­men und er­in­ner­te sich an die wär­me­ren Som­mer­ta­ge im Tjärg­wald, als er mit Finn Fi­sche fing. Sie war­fen das Netz aus und war­te­ten, bis die Dun­kel­heit die Bil­der von der Spie­gel­flä­che des Sees fort­ge­wischt hat­te und die Träu­me an de­ren Stel­le tra­ten. Dann ent­zün­de­te Finn sei­ne Fa­ckel. »Die Fi­sche stre­ben zum Feu­er«, wa­ren sei­ne Wor­te. »Das liegt in der Na­tur – bei den Fi­schen und den Men­schen, den Ran­jögs, den Po­nys – al­le stre­ben dort­hin, wo die Ge­fahr lacht und lockt.« In sol­chen Näch­ten hat­ten sie viel Fisch ins La­ger ge­bracht.
    Trotz der war­men Bri­se, die ihn um­fing, sehn­te sich Ra­vin an den küh­len See in sei­nem Wald. Er sehn­te sich da­nach, zu frös­teln und die küh­le Ufer­er­de zu rie­chen. Er sehn­te sich nach dem schwe­ren feuch­ten Duft von Moos und Som­mer­re­gen – und er sehn­te sich nach Finns Stim­me. Tief un­ter ihm fuh­ren die Fi­scher von Dan­tar in ih­ren klei­nen Schat­ten­boo­ten über das schwar­ze Was­ser und schwenk­ten die Fa­ckeln.
    Ne­ben ihm knack­te es. Ami­nas Au­gen glänz­ten ge­spens­tisch hell im Schein der Stadt. Wie­der er­tapp­te Ra­vin sich da­bei, wie er­leich­tert er war den Blick ab­wen­den zu kön­nen, doch er schäm­te sich zu­zu­ge­ben, dass Ami­nas Ge­sicht ihm Angst mach­te. Im Licht des Mon­des wirk­te es so­gar, als lä­ge ei­ne Schat­ten­hand mit fünf dün­nen Fin­gern auf ih­rem Ge­sicht. Leg­te der Tod ihr be­reits die Hand auf die Stirn? Zum ers­ten Mal ge­stand Ra­vin sich sei­ne Angst ein, dass sie die Rei­se nicht über­le­ben wür­de.
    »Hast du dich aus­ge­ruht’?«, frag­te er.
    »Ich ha­be ge­schla­fen. Und was ich ge­se­hen ha­be, ge­fällt mir nicht«, flüs­ter­te sie. »Die Zu­kunft sagt mir, dass die lich­te Gren­ze im­mer nä­her kommt.«
    »Wir wa­ren schon so oft der Gren­ze na­he«, er­in­ner­te er sie und kämpf­te das jä­he Er­schre­cken nie­der, das vor ihm auf­leuch­te­te wie Skig­gas Au­ge.
    Sie warf ihm einen Blick zu, aus dem er nicht her­aus­le­sen konn­te, ob sich Spott oder Trau­er dar­in spie­gel­te, dann wand­te sie sich wie­der dem Meer zu.
    »Mö­ge Elis dich träu­men las­sen«, sag­te sie lei­se.
    Ra­vin ging zu den an­de­ren und leg­te sich ne­ben Dari­an ins war­me Gras.
    Das Be­wusst­sein, dass er sein Mes­ser fest in sei­ner Rech­ten hielt und die Ver­zie­run­gen sich tief in sei­ne Fin­ger gru­ben, weck­te ihn, be­vor er wahr­neh­men konn­te, was ihn aus dem Schlaf ge­ris­sen hat­te. Über­rascht sah Ami­na ihn an. Sie hat­te die Hän­de er­ho­ben und war ge­ra­de da­bei, einen Bann­kreis um ih­ren La­ger­platz zu zie­hen.
    »Oh, ha­ben sie dich ge­weckt?«, flüs­ter­te sie.
    Er blin­zel­te ver­wirrt.
    »Wer soll mich ge­weckt ha­ben?«
    »Wer soll mich ge­weckt ha­ben?«, echo­te sei­ne Stim­me in der Dun­kel­heit.
    »Die Pa­mel­dus-Gas­se ist gleich hin­ter dem Pfer­de­markt!«
    »Wenn ihr mich fragt, das Tau war von An­fang an be­schä­digt …«
    »Ich zah­le dir fünf, wenn ich al­le drei be­kom­me …«
    Ra­vin setz­te sich auf,

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