Im Bann des Fluchträgers
entgegen. Im Halbdämmer erkannte der Bote etwa hundert Paradepferde mit langen, gebogenen Hälsen. Fuchsrot leuchtete ihr Fell – typisch für die Pferde aus Lom. Der Bote lächelte.
Durch einen Seitengang betrat er wenig später mit dem Diener den Nordflügel der Burg. Der Weg führte durch endlos scheinende Gänge, deren Mauerwerk durchbrochen war. Wind zog durch die Ritzen und ließ den durchnässten Boten vor Kälte zittern. Bald endete der Gang in einem Korridor mit zahllosen Türen. Eine davon öffnete der Diener.
»Es ist eines der letzten freien Quartiere, Herr«, meinte er und lächelte entschuldigend. »Und deshalb ziemlich abgelegen. Wenn Ihr hungrig seid, werde ich Euch zum Tischsaal begleiten.«
Der Bote wurde rot und nickte verlegen.
»Und wenn Ihr sonst noch etwas wünscht, Herr …«
»Ja! Wann kann ich zur Königin?«
»Nun, ich werde Euch anmelden. Heute sind Gesandte aus Lom und Fiorin angekommen. Und weitere aus Tana werden jeden Augenblick erwartet. Ihr werdet gerufen, sobald es möglich ist. Vielleicht schon in zwei Tagen.«
»Zwei Tage?« Der Bote war verzweifelt. »Bis dahin ist es vielleicht zu spät!«
»Worum, wenn ich höflich fragen darf, handelt es sich? Ihr versteht, wenn ich es wüsste, könntet Ihr vielleicht mit einem der Räte sprechen.«
Der Reiter schüttelte heftig den Kopf.
»Das, was ich zu berichten habe, kann ich nur der Königin selbst sagen. Ihr müsst ihr etwas ausrichten!«
»Gewiss, Herr! Ich kann es dem Unterrat sagen, der dann entscheidet …«
Ungeduld und Ärger blitzten in den Augen des Boten.
»Dann sagt dem Unterrat, dass Jolon in Gefahr ist! Jolon va Lagar aus dem Tjärgwald. Und sagt ihm, ich trage den Ring mit Gislans Siegel, den die Königin Jolon schenkte.«
Die Augen des Dieners wurden groß.
»Gut, Herr. Und Ihr seid?«
»Ravin va Lagar, Jolons Bruder.«
Der Diener warf einen letzten Blick auf den Ring und zog sich zurück. Die Tür fiel ins Schloss und ließ Ravin mit dem Geräusch von Regen allein.
Er ging zum Kamin und ließ sich auf den Boden sinken. Die Kleider klebten an seinem Körper. Jetzt erst, als er die Wärme des Feuers an seinen klammen Händen fühlte, wurde ihm bewusst, dass er jämmerlich fror. Während des Rittes hatte ihn die Sorge um seinen Bruder die Müdigkeit und die Anstrengung vergessen lassen. In der Ecke des Raumes entdeckte er einen Stuhl, über dessen Lehne ein Gewand aus hellem Leder hing. Ravin ü berlegte, dann tappte er über den Steinboden und nahm es an sich. Er würde es nur für kurze Zeit überziehen, sagte er sich, nur so lange, bis seine eigenen Sachen trocken waren. Hastig zog er sich aus, breitete seine Kleidung vor dem Kamin zum Trocknen aus und streifte das Gewand über. Das Leder erwärmte sich rasch auf seiner Haut. Seine verkrampften Muskeln begannen zu schmerzen. Um sie ein wenig zu lockern ging er im Zimmer umher und betrachtete die glatten Wände, auf denen der Widerschein des Kaminfeuers tanzte. Je nachdem von welcher Seite das Licht der Flammen auftraf, leuchteten sie in verschiedenen Farben. Schließlich blieb er vor dem Tisch aus rotem Holz stehen. Ernst und verwundert blickte sein Spiegelbild ihn an. Ravin erinnerte sich, dass Jolon ihn vor vielen Jahren zur Regenbogenburg mitgenommen hatte. In seiner Erinnerung war die Burg strahlend weiß und geheimnisvoll, nicht regengrau und wuchtig, wie er sie heute erlebt hatte. Er setzte sich vor den Kamin und bettete den Kopf auf die Knie. In seinen Gedanken zogen Bilder der vergangenen Tage an ihm vorbei. Wieder sah es das blasse Gesicht seines Bruders vor sich und musste sich zusammennehmen um nicht zu weinen. Krampfhaft rieb er sich die Augen, doch der Kummer und die Angst ließen sich nicht vertreiben.
Dennoch musste er im Sitzen
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