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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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vor­aus­rit­ten. Sie hat­te sich ein wei­ßes Tuch um die Schul­tern ge­schlun­gen.
    Sie und ihr schwar­zes Pferd wa­ren das ein­zig Farb­lo­se in die­ser leuch­ten­den Um­ge­bung.
    »He, Ra­vin«, sag­te sie, als Va­ju und das Hor­jun-Pferd Na­se an Na­se lie­fen.
    »In dei­nem grü­nen Tuch siehst du erst recht aus wie ein Wald­mensch – wenn auch wie ei­ner aus Dan­tar.«
    Ra­vin lä­chel­te. Das schrä­ge Licht fiel gol­den auf Mel Amies Wan­ge und zeich­ne­te die Nar­ben auf ih­rem Ge­sicht nach, so­dass ih­re Wan­ge aus­sah wie die Land­kar­te des Flus­stals, durch das sie so vie­le Ta­ge ge­rit­ten wa­ren. Als Mel Amie den Kopf wand­te, fing sich das Son­nen­licht in ih­ren Au­gen. Kat­zen­gleich und gold­grün blick­ten sie in die sei­nen.
    »Mor­gen um die­se Zeit sind wir viel­leicht schon in Dan­tar«, sag­te sie lä­chelnd.
    »Warst du schon ein­mal am Meer?«, frag­te er. Mel Amie lach­te schal­lend.
    »Se­he ich so aus, als wür­de ich ger­ne am Meer sein? Oder über­haupt nur frei­wil­lig? Nein, Wald­mensch Ra­vin. Ge­nau wie du ha­be ich mein gan­zes Le­ben zwi­schen Bäu­men und auf Lich­tun­gen ver­bracht. Und wenn ich auch nur einen Ge­dan­ken dar­an ver­schwen­den wür­de, dass wir bald den gan­zen Un­ge­heu­ern im Meer als Mahl­zeit vor der Na­se her­um­schwim­men wer­den, dann, Ra­vin, hät­te ich seit vie­len Ta­gen je­den wa­chen Au­gen­blick ge­schri­en. Aber ich den­ke nicht dar­über nach.«
    Ra­vin kann­te Mel Amies rup­pi­ge Art in­zwi­schen zu gut, als dass er er­schro­cken oder ver­stimmt ge­we­sen wä­re.
    »Das ist un­ser Glück«, sag­te er und lach­te eben­falls. Wie un­wirk­lich das Ge­fühl auch sein moch­te, er war er­leich­tert, dass er noch in der La­ge war, zu la­chen. Doch es war selt­sam, durch ein fried­li­ches Land vol­ler Son­ne zu rei­ten, wäh­rend Jo­lon in end­lo­sem Ster­ben lag und sich über dem Tjärg­wald dunkle Wol­ken zu­sam­men­zo­gen.
    »Wo­hin müs­sen wir, wenn wir in Dan­tar sind?«, frag­te er.
    »Wir ge­hen in den Süd­teil der Stadt. Hin­ter dem Fisch­markt be­fin­det sich ei­ne Gas­se am Ha­fen, die Flut heißt. Dort wer­den wir sie fin­den. Ihr Na­me ist Su­mal Ba­ji San­tal­nik. Sie ist Ka­pi­tä­nin.«
    »Su­mal Ba­ji San­tal­nik«, mur­mel­te Ra­vin. »Kennt Skaard­ja sie?«
    »Das­sel­be ha­be ich sie auch ge­fragt«, sag­te Mel Amie. »Und sie ant­wor­te­te: »Nein. Ich ha­be nur die Fä­hig­keit, ab und zu auf den Kor­ri­do­ren der Zeit zu wan­deln. Und hier und da kom­me ich an ei­nem Wand­vor­hang vor­bei, spä­he ver­bo­te­ner­wei­se hin­durch – und ent­de­cke Din­ge in ei­nem an­de­ren Zim­mer, die von Nut­zen sind.«« Sie schüt­tel­te ver­wun­dert den Kopf. »Ich hof­fe nur, die­se Su­mal wird uns die­se Ge­schich­te glau­ben und uns nicht ein­fach einen Tritt in den Hin­tern ge­ben.«
    »Wir ha­ben im­mer noch ge­nug Skil­dis, um sie so gut zu be­zah­len, dass ihr un­se­re Ge­schich­te völ­lig gleich­gül­tig sein wird.«
    »Das stimmt, Ra­vin.«
    Am Abend mach­ten sie ei­ne kur­ze Rast und rit­ten in der Nacht wei­ter. Um sie her­um zirp­ten Gril­len. Ra­vin muss­te auf Va­jus Rücken ein­ge­nickt sein, denn als Ladros Stim­me an sein Ohr drang, glaub­te er für einen schreck­hei­ßen Au­gen­blick wie­der in Skig­gas trü­bes ro­tes Au­ge zu bli­cken. Er hat­te sein Mes­ser schon in der Hand, als er ge­wahr wur­de, dass das röt­li­che Fun­keln kein Au­ge war. Sie stan­den auf ei­ner An­hö­he, Darians Flam­me zit­ter­te zwi­schen Don­dos Vor­der­hu­fen. Und un­ter ih­nen er­streck­te sich das Meer.
    Der röt­li­che Halb­mond, der am Him­mel stand, spie­gel­te sich in tau­send blin­ken­den Re­fle­xen auf den Wel­len. War­mer Wind trug ihr Wis­pern zu ih­nen hin­über. Das Meer lag in der Um­ar­mung ei­ner schwar­zen Fels­ket­te. Und auf der Hand­flä­che des Fels­arms lag ei­ne Spur aus fun­keln­den Licht­punk­ten. Bleich wie ein Walske­lett zeich­ne­ten sich win­zi­ge wei­ße Häu­ser ge­gen den Nacht­him­mel ab.
    »Wir sind da«, flüs­ter­te Ami­na. »Das ist Dan­tar.«
    »Dan­tar«, wie­der­hol­te Ra­vin. Doch die Er­leich­te­rung, die er sich da­von er­hofft hat­te, zu

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