Im Bann des Fluchträgers
in der Burg wiedersehen würden. Vor dir ist kein Tor sicher, nicht wahr?« Er lächelte und legte Ravin einen Arm um die Schultern. »Du bist ein Dickkopf, Ravin. In diesem Punkt bist du Amina sehr ähnlich.« Seine Stimme zitterte bei den letzten Worten. Ravin schnürte es die Kehle zu. Mel Amie blickte in eine andere Richtung. Sie schwiegen und folgten dem Diener über den Burghof. Zeigefinger deuteten auf sie. Wortfetzen mischten sich in das Flüstern.
»Das sind sie!«
»Aus Skaris!«
Mel Amie und Ladro waren sich dessen bewusst, dass der größte Teil der Neugierde ihnen galt. Ravin schüttelte den Kopf und dachte darüber nach, dass in Tjärg wohl genauso viele seltsame und unwahre Geschichten über Skaris erzählt wurden wie umgekehrt. Hätten Ravin und Darian berichtet, sie wären auf Armeen von Feuer speienden Rieseneidechsen gestoßen, die Menschen hier hätten diese Geschichte ebenso bereitwillig geglaubt, wie man in Skaris an die Seelen verschlingende Hexe glaubte. Der Diener führte sie zu der Gasse, die vom Burghof zu den Stallungen abzweigte. Erleichtert, den neugierigen Blicken entfliehen zu können, traten sie in den Stall. Der Duft von Stroh und warmen Pferdeleibern schlug ihnen entgegen. Eine lange Reihe von Ponys äugte zu ihnen herüber. Ganz hinten im Stall leuchteten zwei helle Mähnen, Vaju warf den Kopf hoch und wieherte. Ein verlegen grinsender Stallknecht, eigentlich noch ein Junge, trat aus der Box, in der das Horjun-Pferd stand. Er hatte das Pferd geputzt und die Narben sorgsam mit einem Heilfett eingerieben. Quer über die Brust zog sich ein langer Striemen, das Fell war abgeschabt.
»Da ist es in das Seil hineingelaufen, das eure Wächter als Stolperfalle gezogen hatten«, sagte Mel Amie statt einer Begrüßung und kraulte die Kehle des Pferdes. Ravin erinnerte sich an den Ruck, mit dem das Pferd unter ihm zu Boden gegangen war und tastete nach seinem aufgeschürften Schlüsselbein.
»Es ist nicht verletzt«, meldete sich der Stalljunge zu Wort. »Es hat lediglich eine Prellung.«
»Euer Glück!«, murmelte Mel Amie und klopfte das Pferd von vorne bis hinten ab.
Nebenan trippelte das Banty in seiner Box. Immer noch hatte es die Färbung der matschgrauen Wege und schlammigen Pfade. Als sie es anschauten, gab es ihnen einen Stich ins Herz, denn es war immer noch Aminas Banty.
»Die Königin hat Euch neue Sättel und Zaumzeug bereitstellen lassen«, sagte der Stalljunge und verschwand in der Sattelkammer. Nach wenigen Augenblicken kam er wieder heraus und überreichte Ravin ein geflochtenes Zaumzeug und einen Sattel. Ravin fuhr mit der Hand über die Gravuren.
»Es ist ein Sattel aus dem Tjärgwald«, stellte er fest.
Der Stallknecht nickte eifrig.
»Die Königin hat angeordnet, dass Ihr einen neuen Sattel haben sollt, da Ihr Euren alten verloren habt.«
An seinem Gesichtsausdruck konnte man ablesen, dass er vor Neugier brannte, zu erfahren, wo und unter welchen Umständen Ravin seinen Sattel verloren hatte.
»Danke«, antwortete Ravin lächelnd und ging zu Vaju in die Box.
Liebevoll prüfte er jede Schlaufe, jeden Riemen in dem komplizierten Sattelwerk. Die anderen bekamen glatte Sättel aus dunkelrotem Leder. Gerade hatten sie die Sattelgurte festgeschnallt, als vom Hof her das Zeichen zum Aufbruch ertönte.
Das Gefolge war schon im Burghof versammelt. Die Gesandten aus Tana waren eben dabei, aufzusitzen. Die Königin saß auf einem riesigen Falben mit beinahe weißer Mähne inmitten ihrer Wächter. Neben ihr entdeckte Ravin einen großen Mann, der ihm bekannt vorkam. Auf seinem langen Mantel aus Silberschaffell glitzerten Regentropfen. Ein Lächeln breitete sich über Ravins Gesicht,
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