Im Bann des Fluchträgers
handelt sich um Truppen. Die Truppen von Feinden, die wir bisher noch nicht einmal kannten und deren Absichten im Dunkeln liegen. Badoks Krieger greifen uns von Tamm aus an.« Er holte Luft und sah sich in der Runde um. Angespannte Gesichter waren ihm zugewandt.
»Nun«, fuhr er fort, »sehen wir uns einer Bedrohung gegenüber, auf die unser friedliches Land nicht im Mindesten vorbereitet war. Wenn es so ist, wie Darian und seine Weggefährten berichten, dann eilen die Truppen, die von Tamm kommen, als Vorhut einer sehr viel stärkeren Division voraus. Vielleicht dient dieser zeitversetzte Vorstoß aus zwei verschiedenen Richtungen lediglich dazu, uns abzulenken, sodass wir uns an der falschen Stelle verteidigen und vergessen, was hinter unserem Rücken vorgeht. Wenn dem so ist, hatten wir Glück, rechtzeitig davon zu erfahren. In zwei, spätestens drei Tagen wird Badoks Heer vor Gislans Burg sein. Und damit steht fest, dass uns nicht mehr viel Zeit bleibt.«
Flüstern ging durch den Saal, als der Krieger wieder Platz nahm. Die Königin hatte ernst zugehört und wandte sich nun an Ravin.
»Ravin, wie viele Schiffe sind es?«
»Vier große Schiffe. Sie bringen Feuernymphen mit.«
Die Königin runzelte die Stirn. Atandros wechselte einen besorgten Blick mit Jarog.
»Feuernymphen?«, fragte er. »Bist du sicher? Ich habe noch nie gehört, dass Nymphen im Krieg gegen Menschen kämpfen.«
»Eine Nymphe sagte mir, dass sie einen Herrn haben, dem sie gehorchen.«
Doch Jarog schüttelte den Kopf.
»Ich kenne keinen Zauber, der eine Feuernymphe dazu bringen könnte, einem Herrn zu gehorchen und sogar ihre Berge zu verlassen. Geschweige denn auf Schiffen über Wasser zu fahren! Täuschst du dich nicht?«
Ravin funkelte den Zauberer an und wollte ihm gerade antworten, als Laios seine Hand auf Jarogs Arm legte.
»Ravin hat mit einer Feuernymphe gesprochen«, lenkte er ein. »Und feststeht, dass die Waldbrände bei Tamm keine natürliche Ursache haben. Folglich sind auch Feuernymphen in Badoks Heer. Ob er auch in der Lage ist, sie über das Wasser zu bringen, nun, das wird sich in spätestens zwei Tagen zeigen.«
Mit einer ungeduldigen Geste gebot die Königin dem Gemurmel Einhalt, das sich sofort im Saal erhoben hatte, und wandte sich wieder an Ravin und die anderen.
»Wie viele Reiter, schätzt ihr, kamen aus Dantar zur Galnagar-Bucht?«
»Tausend etwa«, sagte Mel Amie. »Wenn man nur die Horjun zählt.«
»Wer sind die Horjun?«, meldete sich eine alte Frau aus dem Zirkel der Räte zu Wort.
»Es sind Badoks Krieger. Leute, die er zum großen Teil aus den Dörfern in Skaris eingezogen hat. Sie wurden in kurzer Zeit im Reit- und Schwertkampf ausgebildet und reiten mit den Erloschenen.«
»Den schwarzen Kriegern«, schloss die Königin. »Wie viele gibt es davon?«
Mel Amie hob die Schultern.
»Das konnten wir nicht beobachten. Es können Tausende sein – oder nur wenige hundert. Im Krieg stehen sie den Horjun zur Seite. Ich habe Kämpfe erlebt, da waren sie sogar in der Überzahl. Doch wir wissen nur, dass Diolen sie aus dem Land Run gerufen hat.«
»Und dieses Land Run – hat es je wirklich existiert?«
»Ihr meint, ob es ein Märchen ist wie das von der Hexe im besiegten Land?«
Mel Amie lachte. »Nein. Es ist das Land der gefallenen Krieger. Ich selbst werde dorthin gehen, wenn ich die lichte Grenze überschreite. Doch was die Krieger bewogen hat, hierher zurückzukehren und blind auf Geheiß eines Wahnsinnigen zu handeln, verstehe ich nicht. Hier muss ein Zauber wirken, der mächtiger ist als der Sog der lichten Grenze.«
Eine Weile herrschte Stille im Saal. Die Räte steckten die Köpfe zusammen und flüsterten.
»Damit bestätigt sich meine Vermutung«, meldete sich Hauptmann Ljann wieder zu Wort.
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