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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Au­gen­li­der und ver­schwand.
    Ein lei­ser Mit­ter­nachts­wind strich um sei­ne Bei­ne und ließ ihn frös­teln. Der Schmerz poch­te in sei­nem Bein, je­der Kno­chen schi­en schwer. Hin­ter sich hör­te er Ami­nas Schrit­te, lan­ge be­vor sie ihn er­reicht hat­te. Sie trat an die Glut und wärm­te sich die Hän­de. Der Wind spiel­te mit ih­rem Haar. Der Duft von ver­brann­ter Rin­de und süßem Harz weh­te zu Ra­vin hin­über und mach­te ihn trau­rig, so sehr er­in­ner­te er ihn an den Duft des Tjärg­wal­des. Er sehn­te sich nach Hau­se zu­rück, nach Jo­lon, er sehn­te sich so sehr nach ihm, dass er am liebs­ten ge­weint hät­te.
    »Wir soll­ten auf­bre­chen, bald geht die Son­ne auf.«
    Vor ihm stand wie­der die har­te, spöt­ti­sche Ami­na. Ra­vin spür­te Ent­täu­schung, Ein­sam­keit um­fing ihn.
    »Wo warst du?«, frag­te er.
    »Ich ha­be et­was ge­sucht.«
    Er sah sie fra­gend an, doch sie schwieg und deu­te­te nur auf ei­ne große Tan­ne. Ra­vin dreh­te sich um und kniff die Au­gen zu­sam­men. Ge­blen­det vom Feu­er­schein konn­te er an­fangs nichts se­hen. Nach und nach er­kann­te er die Sil­hou­et­ten zwei­er rie­si­ger Pfer­de, die re­gungs­los ne­ben der Tan­ne stan­den. Ra­vin zwin­ker­te, um das Trug­bild zu ver­trei­ben, doch ein hei­se­res Wie­hern schreck­te ihn aus sei­ner Be­täu­bung hoch. Er sprang auf und zuck­te zu­sam­men, als der alt­ver­trau­te bren­nen­de Schmerz sein Bein durch­fuhr. Die­se un­heim­li­chen Pfer­de wa­ren kei­ne Ban­tys, da­zu wa­ren sie viel zu groß.
    »Wo­her hast du sie?«
    Ra­vins Er­stau­nen schi­en sie zu amü­sie­ren.
    »Viel­leicht bin ich Elis’ dunkle Schwes­ter«, sag­te sie und lä­chel­te. Es war ein kal­tes Lä­cheln, das Ra­vin gar nicht ge­fiel.
    »Sie se­hen selt­sam aus, Ami­na. Sol­che Pfer­de ha­be ich noch nie ge­se­hen – ganz schwarz mit wei­ßen Au­gen! Sind sie blind?«
    »Es sind Pfer­de und sie fin­den auch blind ih­ren Weg. Nur das ist wich­tig.«
    Sie blick­ten sich an, Ami­na mit zu­sam­men­ge­knif­fe­nen Lip­pen, Ra­vin un­schlüs­sig und trau­rig.
    »Es ist un­se­re ein­zi­ge Chan­ce, die an­de­ren ein­zu­ho­len«, sag­te sie bei­na­he bit­tend. »Sieh dir dein Bein an. Du weißt selbst, dass du nicht mehr lan­ge da­mit lau­fen kannst. Al­so frag nicht, son­dern steig auf!«
    Mü­dig­keit schie­nen die Pfer­de nicht zu ken­nen, denn selbst als die Son­ne hoch am Him­mel stand, trom­mel­ten ih­re rie­si­gen Hu­fe wie dump­fe Ham­mer­schlä­ge un­er­müd­lich auf den Wald­bo­den, wäh­rend Ra­vin das Ge­fühl hat­te, er müs­se je­den Mo­ment er­schöpft vom Pfer­derücken glei­ten. Wäh­rend Ami­na und Ra­vin ab­wech­selnd schlie­fen, stan­den die Pfer­de wach und un­er­schüt­ter­lich ru­hig und war­te­ten auf die nächs­te Etap­pe.
    Je wei­ter sie zo­gen, de­sto häu­fi­ger wur­den sie von Hall­ge­spens­tern um­la­gert. Sie ver­stopf­ten sich die Oh­ren mit ei­ner Mi­schung aus Harz und ge­trock­ne­ten Ja­la­blü­ten, so­dass sie die ver­schie­de­nen Stim­men nur noch wie fer­nes Ge­plät­scher wahr­nah­men. Au­ßer­dem hat­ten sie ei­ne Zei­chen­spra­che ent­wi­ckelt, mit der sie sich ver­stän­dig­ten. Wenn sie ras­te­ten, mach­ten sie kein Feu­er, son­dern aßen die Ja­lafrüch­te roh. Die Spu­ren der Ba­dok ver­wisch­ten sich im­mer mehr, doch sie wa­ren si­cher, sie noch nicht ver­lo­ren zu ha­ben. Nach ei­ni­gen Ta­gen ka­men sie an einen Rast­platz, wo vor kur­z­em noch Feu­er ge­brannt hat­te. Die Asche war zwar be­reits kalt, aber Ra­vin ent­deck­te ein Stück Stoff, das un­ter ei­nem Stein an der Feu­er­stel­le ver­bor­gen lag. Ein freu­di­ger Schreck durch­fuhr ihn, als er er­kann­te, dass es von Darians dunklem Man­tel stamm­te. Al­so wuss­te er, dass Ra­vin leb­te und ih­nen folg­te.
    Im­mer nä­her ka­men sie dem Ta­sos-Pass. Sie durch­rit­ten Schluch­ten und pas­sier­ten klei­ne Wäld­chen, in de­nen die Hall­ge­spens­ter wie dich­te Trau­ben von Fle­der­mäu­sen in den Bäu­men hin­gen. Ami­na wirk­te düs­ter und ent­schlos­sen. Nachts, wenn Ra­vin an der Rei­he war, über ih­ren Schlaf zu wa­chen, be­ob­ach­te­te er ihr Ge­sicht und be­merk­te einen

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