Im Bann des Fluchträgers
sagte sie sanft. »Zum Fluss.«
Rot färbte sich das Wasser, als sie sich Blut und Staub von den Gesichtern wuschen. Mit der Berührung des Wassers kehrte das Leben in Ravins Körper zurück. Er spürte einen stechenden Schmerz im linken Bein. Als er hinunterblickte, entdeckte er eine lange Wunde, dort wo ihm das Hufeisen ins Fleisch geschnitten hatte.
»Wo sind die anderen?«, fragte er endlich mit heiserer Stimme.
Amina hielt inne und senkte den Kopf.
»Gran, Santez und Ilnor liegen auf der Lichtung.« Sie räusperte sich und atmete tief durch. »Ich wollte sie gerade begraben.«
»Und Darian? Sella und Ladro?«
»Sie leben. Die Badok haben sie gefangen genommen.«
Ravin atmete auf.
»Die Krieger«, begann er. »Einige von ihnen hatten rote Augen … und lösten sich auf, wenn man sie verwundete. Ich habe es gesehen.«
Amina rieb sich die Augen.
»Sie waren keine Badok, sondern … etwas anderes«, sagte sie schließlich. »Sie konnten den Bannkreis durchbrechen. Das ist kein gutes Zeichen.«
Ravin stand auf. »Wir müssen sie finden. Die Spuren der Pferde sind leicht zu verfolgen.«
»Wir weiden unsere Toten begraben und morgen früh losziehen.«
»Wie sollen wir die anderen einholen, wenn wir so lange warten?«
Ihre Augen leuchteten in der Dunkelheit.
»Ravin, sieh uns an – wie weit würden wir heute kommen ohne uns auszuruhen?«
»Siehst du wieder in die Zukunft?«, fragte er bitter.
Sie lächelte.
»Ich sehe, dass Darian heute dem Tod nicht begegnen wird.«
Sie verbanden seine Wunde, so gut es ging. Ravin sah erstaunt, dass Amina außer einem aufgeschürften Knöchel keine Verletzungen davongetragen hatte, doch er sprach sie nicht darauf an. Dann machten sie sich auf den Weg zur Lichtung und hoben, so gut es ging, eine flache Mulde für Gran, Ilnor und Santez aus. Vorsichtig betteten sie die Körper auf ein Lager von Tanistannenzweigen, bevor sie sie mit Erde und Moos bedeckten.
Nach einigem Zögern einigten sie sich darauf, auch die toten Badok-Krieger, die sich nicht aufgelöst hatten und Menschen aus Fleisch und Blut gewesen waren, zumindest mit Taniszweigen zu bedecken.
Sie schnitten einen großen Zweigfächer vom Baum und gingen zu einem Krieger, der auf dem Rücken lag, mit angewinkelten Beinen und ohne sichtbare Verletzung.
Ravins Blick fiel auf das Gesicht des Mannes. Es war ein erschreckend junges Gesicht, in dessen Zügen sich maßloses Erstaunen abzeichnete. Ravins Blick wanderte hinauf zur Stirn. Drei winzige rote Brandmale leuchteten ihm entgegen. Sie hatten die Form von Sichelmonden und waren zu einem Dreieck angeordnet. Ravin schauderte, stieß Amina an und deutete auf die Wunde. Sie zuckte nur mit den Schultern. Gespenstische Stille lag über der Lichtung. Vergeblich versuchte Amina eines der Bantys zu finden. Und vergeblich blies Ravin bis spät in die Nacht in das Muschelhorn, dessen Klang Vaju herbeirufen sollte. Offensichtlich hatten die Badok auch die Bantys und Vaju mitgenommen.
Im Morgengrauen blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu Fuß aufzubrechen. Ravins Bein schmerzte, doch nach einiger Zeit gewöhnte er sich an das dumpfe Pochen über seinem Knie, biss die Zähne zusammen und humpelte weiter. Der Weg, den die Reiter genommen hatten, war nicht zu übersehen. Zerhackte Wurzeln und der aufgewühlte Boden legten eine breite Spur durch den Wald. Ravin entdeckte unzählige Abdrücke der scharfkantigen Hufe. Und dazwischen die schmalen Abdrücke von Bantyhufen, die kaum den Boden berührt zu haben schienen. Auch Vajus und Dondos Ziegenhufe entdeckte Ravin hier und dort.
Mehrere Tage folgten sie den Spuren. Amina war düster und schweigsam. Ravin sah ihr an, dass auch sie sich Sorgen
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