Im Bann des Fluchträgers
dem Augenwinkel nahm Ravin wahr, wie Mel Amie kaum merk lich mit dem Kopf nickte. Wie auf ein verabredetes Zeichen hin erhoben sich die Jerriks. Mel Amie trat zu Darian.
»Wir warten in Skaardjas Höhle auf dich. Du hast Sellas Vertrauen gehabt und alles getan um sie zu schützen. Du sollst die Totenwache halten.«
Darian nickte. Einer nach dem anderen verließen die Jerriks die Grabstätte. Auch Amina und Ladro schlossen sich den anderen an. Ravin zögerte.
»Darian«, sagte er leise. »Wenn du möchtest, bleibe ich bei dir.«
Die glühenden Augen richteten sich auf ihn. Er streckte seine Hand aus um Darians Arm zu berühren, doch zu seiner Überraschung schüttelte Darian sie grob ab.
»Nein!«, fuhr er Ravin an. »Lass mich in Ruhe! Geh zu Skaardja in die Höhle!« Und als er sah, dass Ravin zögerte, schrie er: »Geh!«
Ravin drehte sich um und rannte, bis er die anderen erreicht hatte und seine Lungen schmerzten.
»Mach dir nichts draus«, sagte Skaardja, als sie Ravins verweintes Gesicht sah. »Du meinst es gut und Darian weiß das. Aber manchmal hilft kein Freund.«
Seltsamerweise trösteten ihn diese Worte. Skaardja führte sie zur Höhle zurück. Dort ließen sie sich um den Stein nieder.
Mel Amie griff nach einem Teebecher.
»Darian hat Recht. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir am schnellsten zum Tjärgwald kommen.«
Alle schwiegen, bis Ladro schließlich sein kurzes Messer zog und damit auf dem Boden zu zeichnen begann. Ravin sah plötzlich wieder den großen, gutmütigen Ruk vor sich, der den Grundriss der Burg in den Stein kratzte.
»Wir werden am Fluss entlangreiten. Aber ich glaube nicht, dass wir es vor Diolens Truppen schaffen.«
»Warum nicht?«, fragte Skaardja, die sich neben ihnen niedergelassen hatte.
»Darian und ich haben länger als fünf Monde gebraucht um in das Grenzgebiet bei Skaris zu kommen«, erklärte Ravin. »Und von hier aus ist der Weg zurück noch viel weiter.«
»Na ja, ihr seid ja auch den langen Weg gegangen«, sagte Skaardja und nahm Ladro das Messer aus der Hand. Sie stellte die Schale ab und schüttelte mit einer eleganten Bewegung ihren Ärmel. Silberner Sand floss heraus und türmte sich zu einem Kegel, den sie mit einer nachlässigen Handbewegung glatt strich. Staunend erinnerte sich Ravin wieder daran, dass sie eine Shanjaar war. Sie erschien so bodenständig und beinahe grob, dass man schnell vergaß, welche Macht sie besaß.
»Ihr seid über das Gebirge geritten und habt auf eurem Weg durch die Wälder einen gewaltigen Bogen beschrieben.« Die Messerspitze kratzte durch den Sand. Das Geräusch jagte Ravin einen Schauer über den Rücken.
Skaardja wiegte den Kopf.
»Soviel ich weiß, führt ein kürzerer Weg zumindest bis an die Grenzen des südlichen Tjärg.«
Das Messer zog eine weitere Linie.
»Ihr reitet am Fluss entlang und folgt seinem Lauf bis zur Mündung …«
»Bis zur Mündung?«, wandte Mel Amie ein. »Aber das führt uns im Bogen noch viel weiter weg!«
»Zuerst ja«, räumte Skaardja ein. »Doch dafür fließt der Fluss direkt ins Majuma-Meer.«
Ladro und Mel Amie sahen sich besorgt an.
»Und von dort könnt ihr am Komos-Kap vorbeisegeln und schließlich hier anlegen.« Skaardja kratzte ein Kreuz in den Boden. »Hier beginnt Tjärg.«
Tief beeindruckt blickten sie auf die Karte.
»Das Majuma-Meer ist der kürzeste Weg zur lichten Grenze«, sagte Mel Amie schließlich.
Skaardja zuckte die Schultern.
»Der kürzeste Weg ist, zu spät zu Gislans Burg zu kommen. Noch kürzer wird er, wenn ihr Diolen und seinen Truppen in die Quere kommt. Sie werden den Weg durch das Gebirge und die Wälder nehmen, weil sie ihre Feuergeister und die Erloschenen nicht am Fluss entlangführen können. Die Flussnaj würden es nicht lange dulden. Ich wette, wenn Badok könnte, würde er ebenfalls den
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