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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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wie ein ver­klei­de­tes Kind aus­se­hen. Es lä­chel­te Ra­vin an. »So er­in­ne­re ich nicht mehr an einen Mann, nicht wahr?«, sag­te die jun­ge Skaard­ja und lach­te. »Ja, wir sind alt ge­wor­den. Das ist gut so. Al­les hat sei­ne Zeit, nicht wahr? Und die Ju­gend, glau­be mir, ist nicht im­mer die bes­te. Sie ist schön wie ei­ne Ta­ges­blü­te auf dem See, die am Abend schon ver­welkt. Aber sie ist auch un­an­ge­nehm wie ein be­rau­schen­der Trank. Ein al­ter Geist in ei­nem jun­gen Kör­per – das, glau­be mir, ist das Läs­tigs­te, was ei­nem Men­schen ge­sche­hen kann.«
    Sie ki­cher­te und be­trach­te­te ih­re kräf­ti­ge, seh­ni­ge Hand mit den bläu­lich schim­mern­den Fin­ger­nä­geln. Lang­sam schi­en die Haut ein­zu­fal­len, sich zu kräu­seln, sie rutsch­te über die Kno­chen wie schwe­rer Stoff, bläh­te sich auf, spann­te sich über Mus­keln und Fett. Er­staunt sah Ra­vin, wie die viel zu wei­ten Klei­der sich füll­ten, das Haar noch hel­ler wur­de und schrumpf­te, bis wie­der die al­te Skaard­ja vor Ra­vin saß. Mit ih­rem kurz ge­schnit­te­nen, bei­na­he wei­ßen Haar und ih­rem brei­ten, fal­ten­durch­zo­ge­nen Männer­ge­sicht.
    »At­men, La­chen und auch Ster­ben – al­les ist ein Spie­gel­bild der Un­end­lich­keit«, schloss sie und blick­te ver­sun­ken auf den glü­hen­den Stein.
    Ra­vin schwieg im­mer noch, ob­wohl die Un­ge­duld ihm bei­na­he das Herz zer­riss und ih­re Wor­te ihn er­schreck­ten.
    »Was ich da­mit sa­gen will, Ra­vin …«, be­gann Skaard­ja nach ei­ner viel zu lan­gen Wei­le. »Du hast den lan­gen Weg ge­macht, um mei­ne Quel­le zu fin­den. Die Sa­che ist nur die – sie wird dei­nem Bru­der nicht hel­fen kön­nen.«
    Ra­vins Hoff­nung zer­stob in sei­ner Brust wie ein Stück Krei­de, das auf Fel­sen auf­schlug.
    »Nein«, würg­te er her­vor und sprang auf. »Das stimmt nicht. Lai­os hat ge­sagt …«
    »Setz dich wie­der hin«, be­fahl Skaard­ja in ru­hi­gem Ton. Wi­der­wil­lig ge­horch­te er, doch die Ver­zweif­lung hüll­te ihn wie­der ein, fest und gna­den­los wie ein Ster­be­tuch.
    »Ich ha­be die­se Quel­le vor vie­len Jah­ren er­schaf­fen«, fuhr Skaard­ja fort. »Wie ich be­reits sag­te, war ich viel als Hei­le­rin un­ter­wegs und brauch­te ein gu­tes Heil­was­ser für das Spü­len von Wun­den und ent­zün­de­ten Au­gen. Au­ßer­dem eig­ne­te es sich her­vor­ra­gend da­zu, Zier­kris­tal­le zu züch­ten.«
    Sie räus­per­te sich ver­le­gen und wisch­te mit dem Är­mel einen Wein­fleck vom Bo­den. Dann seufz­te sie und blick­te in Ra­vins fas­sungs­lo­ses Ge­sicht.
    »Das Was­ser ist nicht ma­gi­scher als ein Reb­stock­zau­ber. Ich ha­be nie ver­stan­den, wie das Ge­rücht auf­kam, dass es Flü­che auf­he­ben und so­gar To­te auf­we­cken könn­te. Und wie ich hö­re, hat eu­er Hof­zau­be­rer Lai­os eben­falls da­zu bei­ge­tra­gen, die­se selt­sa­me Ge­schich­te zu ver­brei­ten.«
    Trä­nen ver­schlei­er­ten Ra­vins Sicht, die Tee­scha­le ent­glitt sei­nen Hän­den und zer­schell­te auf dem fel­si­gen Grund. Zwei Höh­len­tre­ter spran­gen her­bei und ho­ben die Scher­ben so vor­sich­tig auf, als wä­ren es Vö­gel, die aus dem Nest ge­fal­len wa­ren.
    »Na«, mein­te Skaard­ja mit ver­le­ge­ner Grob­heit. »Si­cher fin­dest du einen an­de­ren Weg, um dei­nen Bru­der zu ret­ten – und wenn nicht … Wir sind al­le nur Spie­gel­bil­der der Un­end­lich­keit.«
    Ver­le­gen klopf­te sie ihm auf die Schul­ter und stand auf. Am Höh­len­ein­gang dreh­te sie sich noch ein­mal um.
    »Au­ßer­dem ist die Quel­le mir lei­der oh­ne­hin ent­wischt. Es ist ei­ne Wan­der­quel­le. Das ist der Na­jzau­ber, den ich da­mals ver­wen­det ha­be. So sind Na­js eben – heu­te hier und mor­gen dort. Sag den Höh­len­tre­tern Be­scheid, wenn du et­was brauchst!«
    Sie ver­schwand laut­los und, wie es Ra­vin vor­kam, er­leich­tert, ihn al­lei­ne las­sen zu kön­nen. Ra­vin ver­grub den Kopf in den Hän­den und wein­te. Er be­merk­te kaum, dass ei­ner der Höh­len­tre­ter ihm mit sei­ner rie­si­gen Hand trös­tend auf die Schul­ter klopf­te.
    Dari­an stöhn­te. Ra­vin kroch auf al­len vie­ren zu ihm und strich ihm über

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