Im Bann des Highlanders
meinen Augapfel, mo ban-chàraid.«
Joan atmete tief durch: »Ich komme aus der Zukunft ...«
Màiris Gesichtsausdruck änderte sich blitzschnell von erwartungsvoll zu belustigt, doch sie sagte nichts. Erst, als sie merkte, dass Joan nicht weitersprach, schüttelte sie verwirrt den Kopf und fragte tadelnd: »Warum bindest du mir solch einen Bären auf? Jedermann weiß, dass es so etwas nicht gibt.«
Müde fuhr sich Joan über das Gesicht. »Das dachte ich bis vor einigen Wochen auch, und nachdem mich diese zerlumpten Gestalten aus dem Erdloch befreit hatten, glaubte ich, sie scherzten, als sie mich gefangen nahmen, bis ich erkannte, dass etwas nicht stimmte.« Vorsichtig spähte sie zu Màiri hinüber, um deren Reaktion zu beobachten. »Ich wurde am 27. März 1978 geboren und meine Zeitreise begann am 15. Juli 2005.«
»2005«, hauchte Màiri, sie schien mit dieser Eröffnung völlig überfordert zu sein. Ihre Stirn war gerunzelt und sie suchte in Joans Gesicht nach einem Anzeichen von Schmunzeln oder Belustigung, nach irgendetwas, das darauf schließen ließe, dass Joan scherzte, aber Joan blieb ernst und nickte nur langsam.
»Möchtest du meine Geschichte hören?«, fragte sie schließlich, und als Màiri zögernd bejahte, begann sie mit dem immer wiederkehrenden Traum, der ihr zu schaffen gemacht hatte ...
Völlig verwirrt hatte sich Màiri verabschiedet, nachdem Joan ihre unglaubliche Geschichte fertig erzählt hatte. Joan hatte nichts ausgelassen, noch nicht einmal, dass sie die Urahnin der vermeintlichen Hexe war. Während der ganzen Geschichte hatte sich Ungläubigkeit in Màiris Gesicht gespiegelt, doch sie hatte keine Fragen gestellt, sondern einfach nur zugehört.
Joan indessen hatte sie nicht bedrängt, sie wusste, dass Màiri eine kluge Frau war, die sich Gedanken über das Erfahrene machte und zu einem späteren Zeitpunkt sicherlich mit vorsichtigen Fragen herausrückte.
War es richtig gewesen, Màiri ihr unglaubliches Geheimnis anzuvertrauen, musste sie nachts vor dem Einschlafen denken. Hin und wieder hatte sie Joan angesehen, als habe sie es mit einer Irren zu tun. Und doch schien es ihr der einzige Weg zu sein, wieder zurückzugelangen, denn ohne Màiris Hilfe würde sie es nicht schaffen. Wenn sie nur nicht zu ihrem Bruder rannte und ihm erklärte, dass sie eine Geistesgestörte in ihrer Kammer beherbergte.
Am anderen Morgen ließ Màiri sich nicht anmerken, was sie dachte, sie benahm sich wie immer, schwatzte munter drauflos, als sie das Frühstück brachte und meinte, dass der Tag wieder sehr sonnig zu werden versprach.
Gegen Mittag machte Ewan seine Aufwartung, und Joan befürchtete einen Moment, dass er inzwischen Bescheid wusste, doch seiner Miene war nichts zu entnehmen, was darauf hinwies, und seiner Begrüßung ebenfalls nicht.
»Nun, wie ich sehen kann, gefällt es Euch sehr gut bei uns«, bemerkte er grinsend. Joan hatte gelesen, dabei ihre Beine auf einen zweiten Stuhl gelagert und sich schnell ordentlich hingesetzt, als Ewan eintrat, aber zu ihrer Verärgerung hatte er es doch bemerkt. »Und ich dachte, feine Damen tun so etwas nicht. Oder ist das neuerdings in England modern?«
Nervös zupfte Joan an ihrer Haube, warf Ewan dabei einen vernichtenden Blick zu und erwiderte kühl: »Ihr könnt Euch ja nicht vorstellen, wie es ist, wochenlang eingesperrt zu sein und sich nicht bewegen zu können, meine Beine leiden darunter, deshalb musste ich sie hochlegen.«
»Darf ich?« Er wies auf den nun freien Stuhl, und Joan hob erstaunt die Augenbrauen; Ewan hatte bisher noch nie gefragt, ob er sich setzen durfte.
Sie nickte vage in seine Richtung und beäugte ihn dabei argwöhnisch. Sein langes dunkles Haar kringelte sich leicht an den Spitzen, sodass Joan versucht war, darüber zu streichen – was sie jedoch nicht tat.
»Weshalb seid Ihr immer so giftig zu mir, Seonag?«, fragte er, sein Grinsen war mittlerweile erloschen. »Wie es scheint, ist es mein Los, mich mit schwierigen Frauen zu umgeben. Erst vor ein paar Tagen auf der cèilidh musste ich eine meiner Cousinen fast den ganzen Abend trösten, weil ihr Liebster sie nicht zum Fest begleiten konnte und Darla beschwerte sich gestern bei mir, dass ihr Mann einen dummen Streit mit ihr angefangen habe.«
Ob diese Cousine etwa jenes schöne Mädchen gewesen war, um das Ewan sich auf dem Burghof so rührend gekümmert hatte? Sie wollte nicht daran denken. Ihre Stimme klang überhaupt nicht mehr scharf, als sie entgegnete: »Ihr
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