Im Bann des Highlanders
Feuerstelle kommt. Dass man es Tag und Nacht hell haben konnte ohne die Sonne oder das Feuer. Dass man über jede Entfernung mit jedem sprechen konnte, erschien ihr geisterhaft.
Ewan kam nur sporadisch in der Kammer, und Joan war jedes Mal froh, wenn er wieder fort war – und das nicht nur, weil sie sich über seine Bemerkungen ärgerte, sondern auch, weil sie sich zu ihrem Verdruss magisch von ihm angezogen fühlte. Auch merkte sie, dass es ihm ähnlich ging, und das machte die Situation nicht unbedingt leichter.
»Wenn du aus der Zukunft kommst«, sagte Màiri eines Tages versonnen, »dann musst du doch auch wissen, was in der Vergangenheit geschehen ist. Du sagst, in deiner Zeit ist Glenbharr Castle eine Ruine. Wo leben denn die Nachfahren meiner Familie?«
Diese Frage hatte Joan befürchtet, seitdem sie Màiri mit der Wahrheit konfrontiert hatte. Es war nicht einfach, darauf zu antworten, denn nach dem letzten Jakobitenaufstand waren 1746 die meisten Clans zerschlagen worden. Doch das brauchte die sanfte Schottin, die keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, nicht zu wissen.
»Hm, das kann ich dir nicht sagen, vielleicht haben die MacLaughlins einen neuen Stammsitz.« Joan erinnerte sich an die Umgebung von Glenbharr Castle, außer Wälder, einigen verstreut gelegenen, verfallenen Steinhäusern und riesigen Schafweiden war ihr nichts aufgefallen, was auf eine bewohnte Ansiedlung hinwies.
»Es müsste aufregend sein, einen Blick in deine Welt zu werfen.« Dann schüttelte sie den Kopf und fügte hinzu: »Nein, eigentlich möchte ich gar nicht wissen, wie die Zukunft aussieht. Alles, was du erzählst, klingt wie ein Märchen, so fantastisch, dass man es kaum glauben mag. Für dich muss meine Zeit ja schrecklich sein.«
Um Màiri nicht zu bekümmern, die sich so viel Mühe gab, ihren geheimnisvollen Gast nicht zu verletzen, beteuerte Joan, dass sie sich sehr wohl in der Kammer fühle, nur eben ihre Freiheit schmerzlich vermisse.
»Du meinst wirklich, dass es einmal Geräte geben wird, die Stoffe weben können?«
»Ja, und zwar in Minutenschnelle«, versicherte Joan mit Nachdruck. »Und nicht nur dafür – es wird praktisch für alles Geräte ... Maschinen geben.«
Màiri schielte verstohlen zu Joan hin. »Und in einer Welt, die von diesen Maschinen beherrscht wird, kann man sich zurechtfinden?«
»Ja, meine Generation ist schließlich damit aufgewachsen und gewohnt, dass man kaum noch etwas selber machen muss.«
»Erzähl mir doch noch einmal von diesen lustigen Fuhrwerken, die sich ohne Pferde oder Ochsen vorwärts bewegen«, bat Màiri, und Joan tat ihr gerne den Gefallen.
Bis tief in die Nacht saßen die Freundinnen bei ihrem Gespräch.
Tags darauf eröffnete Màiri ihr mit leuchtenden Augen, dass sie am Nachmittag Mìcheal am alten Broch treffen würde. »Ewan hat mir die Nachricht überbracht, dass Mìcheal heute dort sein wird. Ist das nicht wundervoll?«
Übermütig umarmte sie Joan, und für einen Augenblick vergaß Joan ihren eigenen Kummer. Mittlerweile lebte sie fast zwei Monate in der Vergangenheit, und in der Luft lag schon der nahende Herbst. Die ersten Blätter der Eichen im nahen Wald begannen sich bereits zu verfärben, das hatte Joan mit Erschrecken gesehen, als sie eines Morgens flüchtig aus dem Fenster geblickt hatte.
»Wahrscheinlich werde ich erst am Abend zurückkehren.« Màiri wirkte wie ein ganz junges Mädchen vor seiner ersten Verabredung.
»Verzeih, dass ich in meiner Freude vergaß, wie unglücklich du bist«, sagte sie plötzlich zerknirscht. »Während ich meinen Liebsten treffe, wirst du hier einsam und verlassen sitzen.«
Lässig winkte Joan ab. »Ich habe mich fast an die Einsamkeit gewöhnt und gönne dir von Herzen, dass du Mìcheal triffst. Genieße die Stunden mit ihm.« Bekümmert dachte sie, dass sich Màiri ebenfalls in einer hoffnungslosen Lage befand, sie würde nie für den Mann frei sein, dem sie ihr Herz geschenkt hatte.
Sie war nicht überrascht, als Ewan am späten Nachmittag die Kammer betrat. Wie üblich trug er zu seinem breacan feile ein weites, sauberes Leinenhemd, und sein langes Haar schimmerte leicht im Glanz der untergehenden Abendsonne, deren Strahlen durch das Fenster fielen.
An diesem Tag war jedoch alles anders als sonst, eine knisternde Spannung lag in der Luft. Joan hatte sich kurz zuvor die Haare gewaschen und am Kaminfeuer getrocknet, und nun lagen sie wie ein flammender Schleier auf ihren Schultern.
Ewan hatte seit seinem
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