Im Bann Des Jaegers
Fremder innerhalb weniger Momente das Herz rauben? Empfanden alle Eltern dasselbe für ihr Kind? Oder lag es daran, dass er geholfen hatte, den Jungen inmitten von Gefahren auf die Welt zu bringen? Er konnte kaum glauben, dass er und Rose diesen kleinen Menschen gemeinsam gezeugt hatten.
Langsam schlug er die Decke zurück, um auf die winzige Gestalt seines Sohnes hinunterzublicken. Er war eine Frühgeburt und doch schon fertig, und seiner äußeren Erscheinung waren bereits Anzeichen von Körperkraft anzusehen. Kane wusste ohne den leisesten Zweifel, dass sein Sohn einer der Supersoldaten war, die Whitney zu erschaffen versuchte. Als das Kind seine schläfrigen Augen öffnete und ihn ansah, war in ihnen Intelligenz zu erkennen. Kane hatte zugegebenermaßen keine Erfahrung im Umgang mit Kindern und erst recht nicht mit Neugeborenen, doch seine Instinkte trogen ihn selten, und seine Verbindung zu dem Jungen war stark.
Er seufzte, als er den Jungen gut zudeckte. »Wir werden dafür sorgen, dass er dich nicht in die Finger bekommt, Sohn«, versprach er ihm leise. Mit größter Behutsamkeit legte er dem Jungen eine Hand auf den Kopf. »Deine Mutter und ich wollten dich haben. Ganz gleich, was passiert, du sollst wissen, dass wir beide dich haben wollten.«
Er fühlte Roses Blick, der fest auf ihn gerichtet war, und als er sich umdrehte, sah er in ihre dunklen Augen. Alles in seinem Innern kam zur Ruhe. Sie lächelte ihn an, und ihm wurde ganz flau im Magen. »Du solltest eigentlich schlafen.«
»Ich weiß.«
Ihr Tonfall, sanft und träumerisch und fast schon eine Liebkosung, ging ihm unter die Haut. Sie sah ihn an, als bedeutete er ihr alles. Genau das wollte er, aber er wusste, dass sie völlig unerfahren war. Ein Mann wie er, der keinen Schimmer hatte, was ein Zuhause und eine Familie bedeuteten, ein Mann, der dazu geboren war, Gefechte auszutragen, hatte kein Anrecht darauf, mit einer Frau wie Rose zusammen zu sein. Er wollte der Mann sein, den sie in ihm sah, diese Fantasiegestalt, aber er war es nicht. Wenn sie sich an ihn band und wenn sie ihn heiratete, dann würde es für immer sein. Er würde nicht fortgehen, und sie würde es auch nicht tun. Sie hatte genug davon, gefangen gehalten zu werden. Würde ein Leben mit ihm nicht nur eine andere Form der Gefangenschaft sein?
Darauf wusste er keine Antwort, und daher wandte er sich ab und schüttelte den Kopf. Er zog einen der Stühle dicht ans Bett und hob langsam die Decke, um zu überprüfen, ob mit Rose alles in Ordnung war. Kleine Blutklümpchen bereiteten ihm gewisse Sorgen, aber er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Sie rieb ihren Bauch, wie es ihr in dem Buch geraten wurde, um ihn zu massieren, damit alles leichter wieder zu seiner ursprünglichen Form zurückfand, doch sie tat es kraftlos. Er half ihr, eine andere Lage einzunehmen, damit er die saugfähige Unterlage wechseln konnte, und bemühte sich um unpersönliche Berührungen, doch sein Körper weigerte sich, auf seinen Verstand zu hören.
Im Moment war er bei ihr. Er konnte ihr helfen, und er durfte sich in dem Glauben wiegen, Rose und der Junge gehörten zu ihm. Er war ein zynischer Mann, ein Mann, der sich mit einer Waffe in den Händen wohlfühlte, doch Roses Anblick ließ ihn von anderen Dingen träumen. Er wollte der Mann in ihrem Leben sein, ihr Held, der Mann, der zu ihr stand. Der Mann, den sie immer mit diesem Blick in ihren Augen ansah.
Er deckte sie zu, stand auf und streckte sich. »Rose, ich will nichts hinter deinem Rücken tun, aber ich muss draußen Zeichen für Mack und meine Einheit zurücklassen, damit sie uns finden. Wir können nicht gegen alle kämpfen. Ich kann die beiden Männer ausschalten, die uns beobachten, aber dann ist Whitney gewarnt, und wir wissen nicht, wie er dich immer wieder aufspürt. Bist du ganz sicher, dass du den Peilsender aus deiner Hüfte entfernt hast?«
Sie nickte, ohne die Augen zu öffnen. Kane seufzte und wollte sich abwenden, doch plötzlich fiel sein Blick auf die Rose auf ihrem Knöchel. »Rose, du hast da eine Tätowierung. Die hattest du noch nicht, als wir zusammen waren. Seit wann hast du sie?« Er hob noch einmal die Zudecke an, um sich das Kunstwerk auf ihrem Knöchel genauer anzusehen.
Es war ein kleines Tattoo, eine einzige rote Rose, deren Stängel sich um ihren Knöchel wand. Kleine Dornen und drei Blätter ragten aus dem Stängel heraus. Es war zweifellos hübsch, aber nichts, was er von ihr erwartet hätte.
»Vor unserer
Weitere Kostenlose Bücher